Beobachtungsbogen für Kita und Kindergarten

„Leben heißt Beobachten“:

Dieses Zitat wird dem römischen Schriftsteller Plinius zugeschrieben und es beschreibt kurz und knapp die wichtigsten Alltagsprozesse in Krippen, Kitas und Horten. Kinder lernen voneinander durch Beobachtung und Nachahmung und gerade jüngere Kinder oder solche, die erst seit kurzer Zeit eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen nehmen oft zunächst eine beobachtende Rolle ein, bevor sie selbst aktiv werden und ihre Umwelt erobern. Die Beobachtung ist jedoch auch eine wichtige Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte, ohne die eine individuelle Entwicklungsbegleitung nicht möglich ist. Neben der freien Beobachtung nutzen die meisten Einrichtungen vorgefertigte Beobachtungsbögen, um den Entwicklungsstand der Kinder in den einzelnen Teilbereichen wie Motorik, Sozialverhalten, Sprache, Interessen usw. besser einschätzen und bewerten zu können. Nicht zuletzt dient der Beobachtungsbogen im Kindergarten als Grundlage für Elterngespräche sowie als Instrument für die Kooperation mit Behörden, Therapeuten und Ärzten.

Aber: Welche Beobachtungsbögen für Krippe und Kita gibt es überhaupt? Wie werden diese eingesetzt und ausgewertet? Welchen Vorteil hat ein vorgefertigter Beobachtungsbogen für Kita oder Krippe gegenüber der freien Beobachtung? Diese Fragen soll der nachfolgende Text beantworten.

 

Freie Beobachtung oder Beobachtungsbogen – Welche Vor- und Nachteile bieten die einzelnen Verfahren?

 

Das Beobachten von Kindern gehört zweifellos zu den wichtigsten Aufgaben von pädagogischem Fachpersonal. Es kommt jedoch auf die Qualität der Beobachtung an und darauf, wie reflektiert der Beobachter mit der eigenen Wahrnehmung umgeht. Die häufigste Form der Beobachtung im pädagogischen Alltag ist sicherlich die freie Beobachtung. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man braucht dazu keinen vorgefertigten Beobachtungsbogen, sondern beobachtet spontan oder zielgerichtet ein Kind bzw. eine Kindergruppe bei seinem bzw. ihrem Tun. Im Idealfall werden die Beobachtungen notiert und später gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ausgewertet. Aus den Beobachtungsergebnissen können dann individuelle Förderschwerpunkte und pädagogische Maßnahmen abgeleitet werden. Das Problem bei der freien Beobachtung besteht aber darin, dass sie sehr subjektiv ist und keine Vergleichswerte liefert.

 

Praxisbeispiel:

Erzieherin Meike beobachtet, dass Louisa (3,8 Jahre) beim Sprechen noch viele grammatikalische Fehler macht. Auch die Lautbildung empfindet die pädagogische Fachkraft als auffällig fehlerhaft. Meike hat selbst zwei Kinder, die schon im Alter von zwei Jahren fehlerfrei Sätze bilden konnten. Sie notiert ihre Beobachtungen und nimmt sich vor, Louisa im sprachlichen Bereich mehr zu fördern und das Gespräch mit den Eltern zu suchen – Meike sieht dringenden Handlungsbedarf und glaubt, dass eine zusätzliche Förderung durch einen Logopäden wichtig ist.

Als Meike jedoch mit ihrer jüngeren, noch kinderlosen Gruppenkollegin über ihre Beobachtungen spricht, fällt sie aus allen Wolken: Die Kollegin ist ganz anderer Meinung als sie, empfindet Louisas Sprachentwicklung als völlig altersgemäß. Als Beispiel führt sie an, dass Max (4,2) doch viel undeutlicher spreche als  Louisa.

 

Das fiktive Beispiel zeigt, wie unterschiedlich der Blick auf ein Kind sein kann. Wertfrei zu beobachten und anschließend das Beobachtete richtig einordnen zu können fällt auch erfahrenen pädagogischen Fachkräften schwer. Standardisierte Beobachtungsverfahren, in dem Fall ein Beobachtungsbogen, der sich auf die Sprachentwicklung konzentriert wie beispielsweise SISMIK, SELDAK oder BaSiK, schaffen Abhilfe. Sie ermöglichen eine objektivere Firm der Beobachtung und helfen Erzieherinnen und Erziehern dabei einzuschätzen, in sich ein Kind im Vergleich zum Großteil der gleichaltrigen Kinder altersgerecht entwickelt hat.

 

Gibt es Verpflichtungen, bestimmte Beobachtungsbögen zu nutzen?

 

Allgemein gültige Vorschriften, welche Beobachtungsbögen in der pädagogischen Praxis obligatorisch sind, gibt es nicht. In allen Bundesländern ist es jedoch Pflicht, den Sprachstand von Kindern im Vorschulalter zu dokumentieren. Zudem dient ein Beobachtungsbögen als professionelle Grundlage für das Entwicklungsgespräche mit den Eltern eines Kindes. In Bayern werden dazu Kurzversionen von SISMIK und SELDAK genutzt. Wird so bei einem Kind entsprechender Förderbedarf festgestellt, kann es ab dem vollendeten vierten Lebensjahr an einem sogenannten Deutsch-Vorkurs teilnehmen. Die generelle Verpflichtung den Entwicklungsstand von Kindern bis zum Schuleintritt und darüber hinaus zu dokumentieren leitet sich aus den einzelnen Kita-Gesetzen der Bundesländer ab. Welche Instrumente in Form von Beobachtungsbögen dafür verwendet werden, können Kommunen, Träger und häufig sogar die einzelnen Einrichtungen selbst festlegen. Für Bayern finden sich zu diesem Thema jedoch ausführlichere Vorgaben.

 

Wie lässt sich ein Beobachtungsbogen sinnvoll einsetzen?

 

In der Regel wird ein Beobachtungsbogen für ein Kind angelegt, wenn es die Krippe oder Kita kommt. Um zu ermitteln, wie sich ein Kind in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen (je nach Bogen z.B. Sprache, Motorik, Sozialverhalten, Selbstorganisation, kognitive Fähigkeiten usw.) weiterentwickelt, muss der Beobachtungsbogen in regelmäßigen Abständen neu ausgefüllt und ausgewertet werden. Viele Einrichtungen bearbeiten die Bögen einmal jährlich, ideal wäre sicherlich eine sechsmonatige Frequenz. Um den Überblick beim Bearbeiten nicht zu verlieren empfiehlt es sich, den Bogen mit unterschiedlichen Farben auszufüllen (zum Beispiel im ersten Kindergartenjahres mit Grün, im zweiten mit Blau, im dritten mit Rot).

 

Weitere Praxistipps für die Nutzung von Beobachtungsbögen:

  • Um wirklich aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten sollte immer aktuell geprüft werden, ob ein Kind eine Aufgabe erfüllen kann
  • Wenn zwei Kollegen gemeinsam einen Beobachtungsbogen bearbeiten erhöht sich die Chance auf ein objektiveres Gesamtbild
  • Die quantitative Auswertung allein ist wenig aussagekräftig. Nur ergänzt mit freien Beobachtungen des Kindes lassen sich pädagogisch sinnvolle Schlüsse ziehen und Fördermaßnahmen festlegen
  • Kinder verhalten sich zu Hause oft anders als in der Krippe oder in der Kita. Gerade im Hinblick auf ein bevorstehendes Elterngespräch ist es oft hilfreich, wenn Mütter oder Väter ebenfalls einen Beobachtungsbogen ausfüllen.
  • Beobachtungsbögen sind als Teil des Portfolios bzw. der Bildungsdokumentation zu betrachten, können diese aber niemals ersetzen. Die individuelle Entwicklung eines Kindes lässt sich nur umfassend festhalten, wenn auch individuelle Fähigkeiten und Interessen berücksichtigt werden, die nicht durch einen vorgefertigten Fragenkatalog abgearbeitet werden können.

 

Wie funktionieren Beobachtungsbögen und wie sind sie aufgebaut?

 

Fast jeder Beobachtungsbogen für die Kita oder Krippe ist ein mehrseitiger Fragebogen zum Ankreuzen. In der Regel besteht die Möglichkeit, individuelle Notizen zu ergänzen. Bei einigen Beobachtungsbögen wie SISMIK, SELDAK oder PERIK muss auf einer Skala von 1 (Kind kann Aufgabe überhaupt nicht erfüllen) bis 5 (Kind erfüllt Aufgabe in vollem Umfang) ein Wert gewählt werden. Anschließend erfolgt die quantitative Auswertung, indem aus den einzelnen Werten für bestimmte Teilbereiche Summenwerte gebildet werden. Mithilfe einer Vergleichstabelle lässt sich anschließend ermitteln, ob ein Kind im Vergleich zu Gleichaltrigen im Bereich Sprache (bei SISMIK und SELDAK) durchschnittlich bzw. über- oder unterdurchschnittlich abschneidet. Bei anderen Beobachtungsbögen wird nur ermittelt, ob ein Kind eine Aufgabe gar nicht, teilweise oder Komplett erfüllen kann. Dank zunehmender Digitalisierung ist es inzwischen auch möglich, die meisten Beobachtungsmodelle nach vorherigen Download am PC zu nutzen.

 

Wie finde ich Beobachtungsbögen, die zu meinem Arbeitsumfeld passen?

 

Alle Beobachtungsbogen für Kindergarten, Krippe und Hort können bei den jeweiligen Verlagen bestellt werden. Teilweise stehen sie auch direkt zum Download bereit. Wir haben dir eine Liste mit den in der pädagogischen Praxis am häufigsten verwendeten Beobachtungsbögen zusammengestellt. Wenn du auf den Link klickst, wirst du automatisch zu einer Homepage weitergeleitet, auf der du weitere Informationen zum jeweiligen Beobachtungsbogen findest (z.B. im Hinblick auf die jeweilige Zielgruppe, zur Vorgehensweise, zur Auswertung, zu Bestellmöglichkeiten usw.).

 

 Kinder unter drei JahrenKinder zwischen drei und sechs Jahren

Grundschulkinder/

Hortkinder

Sprache, Sprachentwicklung

BaSiK U3 (Begleitende und alltagsintegrierte Sprachentwickungsbeobachtung)

 

Liseb-1/lieseb-2 (Literacy und Sprachentwicklung beobachten bei Kleinkindern)

SISMIK (Sprachentwicklung und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kitas)

 

SELDAK (Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern)

 

BaSiK Ü3 (Begleitende und alltagsintegrierte Sprachentwicklungsbeobachtung)

Selsa (Kinder mit Deutsch als Erst- und Zweitsprache von 1. bis 4. Schulklasse)
Interessen und KompetenzenGrenzsteine der Entwicklung (Laewen)

KOMPIK (Kompetenzen und Interessen von Kindern)

 

PERIK (Positive Entwicklung und Resilienz im Kita-Alltag)

 

Ravensburger Bogen zur Entwicklungsbeobachtung

 

Infans Beobachtungsbogen (Bildungsthemen des Kindes)

 

Gelsenkirchener Entwicklungsbegleiter

PERIK ( 1. und 2. Klasse)

 

Bogen zur Beobachtung von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren der Stadt Recklinghausen

Auffälliges Verhalten BEK (Beobachtungsbogen zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsrückständen bei Kindergartenkindern) 
Verdacht auf Gefährdung des KindeswohlsKiWo-SkalaKiWo-SkalaKiWo-Skala Schulkind

 

 

Stand der Informationen: Dezember 2022

 

 

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