Offene Arbeit im Kindergarten

Was ist das offenen Konzept in der Kita

 

Unter einem offenen Konzept versteht man in Kitas die offene Arbeit in der Einrichtung. Die Kinder werden nicht in Stammgruppen betreut. Stattdessen können die Kinder ihre Spiel- und Lernumgebung in Funktionsräumen weitestgehend frei aussuchen. Durch das selbstbestimmte Auswählen der Angebote werden Stärken und Interessen gefördert – jedes Kind hat den Willen, lernen zu wollen und dies geschieht in der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt.

Die offene Arbeit als Konzept in Kindertagesstätten gibt es in Deutschland seit Ende der 1970er Jahre. Sie ist als Reaktion auf Ansätze entstanden, die eine Orientierung an Prinzipien der Schule im Kindergarten vorantreiben wollten.

 

Ziele bei der offenen Arbeit im Kindergarten

 

Ziel im offenen Konzept ist es, möglichst nah an den Bedürfnissen der Kinder zu sein. Ihnen wird die Gelegenheit geboten, eigene Interessen zu entwickeln und diesen nachzugehen. Durch das offene Konzept sind die Kinder auch in der Pflicht, sich selbst zu organisieren – die Selbstorganisationsfähigkeit wird gefördert, da sie selbst entscheiden, was sie tun möchten und mit wem sie dies tun wollen. All diese Bedingungen stehen zudem unter dem Ziel, Partizipation zu ermöglichen.

Wenn das offene Konzept erfolgreich etabliert ist, wird vom Fachpersonal in der Regel beobachtet, dass die Kinder mehr Spielfreude haben und generell konzentrierter sowie aufmerksamer sind. Gleichzeitig wird eine Abnahme zu Aggressionen und Langeweile beobachtet, da kein Druck und Zwang entstehen.  Das liegt daran, dass die Kinder sich mit Dingen beschäftigen, die sie interessant finden – keiner wird gezwungen, an einem Bildungsangebot teilzunehmen, damit jedes Kind ein fertiges Produkt nachweisen kann.

 

Die Rolle des Kindes im offenen Konzept

 

Leitgedanke im offenen Konzept ist die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung aller Beteiligten an pädagogischen Prozessen. Kinder werden als aktive Gestalter – als Akteure des Geschehens – verstanden. Kinder sind keine Objekte, die nach dem Plan eines Erwachsenen handeln. Sie sind handelnde Subjekte, welche selbst bestimmen. Selbstbestimmung bedeutet aber auch, dass für das eigene Handeln Verantwortung übernommen wird. Daher sind Selbstbestimmung und Eigenverantwortung miteinander verbunden.  

Da das Kind grundsätzlich als neugierig und interessiert verstanden wird, ist es auch nicht notwendig, Kinder ständig zu motivieren und „zu ihrem Glück zu zwingen“. Wenn die Umgebung gut vorbereitet ist – also anregende Räume, gute und ausreichende Ausstattung sowie Spiel-, Verbrauchs- und Beschäftigungsmaterial, wird jedes Kind etwas für sich finden.

Zudem sind Kinder, die in einem offenen Konzept betreut werden, mehr in der Pflicht, potenzielle Spielpartner tagtäglich anzusprechen und den Kontakt zu suchen. Das sind Gelegenheiten, in denen sowohl kommunikative als auch soziale und emotionale Kompetenzen erprobt werden. Bei einer erfolgreichen Kontaktaufnahme ist ein Spielpartner gewonnen, aber auch in der Ablehnung ist ein lehrreicher Moment zu erkennen, an denen die Kinder wachsen. Eventuell muss dies mehr von den Erziehern begleitet werden – das richtet sich nach dem Bedarf.

 

Die Rolle des Erziehers im offenen Konzept

 

Da das offene Konzept sich dadurch ausmacht, dass es keine Stammgruppen gibt, stellt sich die Frage, wie die Erzieher anderweitig aufgestellt sind und wie sich ihre Rolle definiert.

In der Regel gibt es anstelle der Gruppenräume Funktionsräume. Diese werden durch die Erzieher betreut. Eventuell gibt es qualifizierte Kollegen – z.B. eine psychomotorische Zusatzqualifikation – die in einem Bewegungsraum besonders genutzt werden kann. Welche Lösung für eine Kita die richtige ist, muss ausprobiert werden. Feste Zuständigkeiten für Räume können Sicherheit für die Kinder vermitteln (Erzieher A ist immer in Raum XY), es kann aber auch langweilig für die Erzieher werden, eintönig sich in einem Bildungsbereich zu bewegen – schließlich ist die Ausbildung auch übergreifend gestaltet. Ein regelmäßiger Wechsel - jede Woche, einmal im Monat, jedes halbe Jahr – kann ein Kompromiss sein.

Die Rolle des Erziehers birgt auch eine große Herausforderung: Das eigene Selbstverständnis. Zunächst müssen die Fachkräfte lernen, etablierte Arbeitsabläufe loszulassen – vor allem, wenn eine Kita gerade im Wandel ist und das offene Konzept erst eingeführt wird. Auch kann es sein, dass die Beobachtungsinstrumente und -methoden der Erzieher neu angelegt werden müssen. Jeder ist für jedes Kind zuständig. Beobachtungen müssen in Teambesprechungen zusammengetragen werden, damit die Kinder ganzheitlich gesehen werden. Es empfiehlt sich, anhand einer Liste jedes Kind mal zu besprechen, damit ruhigere Kinder nicht übersehen werden.

Die Erzieher und Fachkräfte müssen zudem in einem guten Austausch zueinanderstehen. Es müssen Absprachen getroffen. Diese müssen verbindlich sein. Ansonsten werden die Kinder schnell merken, dass es eventuell unterschiedliche Regeln gibt, was zur Verwirrung aller führen kann.

Erzieher, die im offenen Konzept arbeiten, werden schnell merken, dass die Kinder sich viel selbstständig erarbeiten. Das bedeutet, dass sie mehr zur Seite treten und eher zu Begleitern werden, die Ansprechpartner sind. Sie sind da, falls etwas unklar ist oder Hilfestellungen benötigt werden. Zudem ist es wichtig, dass die Erzieher sich als Resonanzgeber verstehen: Ich sehe dich, ich höre dich, ich nehme dich wahr. Als zuverlässige Partner geben wir den Kindern Resonanz – das ist auch eine Art der Wertschätzung.

 

Die Räumlichkeiten im offenen Konzept

 

Es gibt beim offenen Konzept keine Gruppenräume – ihnen weichen Funktionsräume. Mögliche Aktivitäten, die darin geboten werden, können sein: Malen, werken, entspannen, bewegen, verkleiden, forschen, bauen, essen etc. Falls es nicht so viele Räume gibt, wie die Pädagogen gerne hätten, können auch Funktionsecken eingerichtet werden, die sich mit Möbeln und Barrieren begrenzen lassen. Die Ausstattung der Räume kann vielseitig sein. Verschiedene Entwicklungsbedürfnisse sollten abgedeckt werden. Die wichtigsten Schwerpunkte der Bildungsarbeit sollten dabei aufgegriffen und ausgebaut werden.

Bei den Räumlichkeiten ist es wichtig zu beachten, dass die Kinder selbstständig an das Material kommen müssen. Es lohnt sich, die Perspektive der Kinder einzunehmen und zu schauen, wo Barrieren sein könnten und wo diese abgebaut werden könnten.

 

Praxisbeispiel „Atelier“ im offenen Konzept

 

Um zu schauen, wie sich diese drei Bereiche – Kind, Erzieher, Raum – in der offenen Arbeit ergänzen und beeinflussen, schauen wir uns ein Praxisbeispiel zum Thema Atelier an:

Wenn die Materialien weggeschlossen sind, keine Malutensilien da sind und nach alles gefragt werden muss, ist das Thema offene Arbeit nicht umgesetzt worden. Die Kinder sind abhängig davon, den Erzieher anzusprechen und gezielt nach Material zu fragen. Ein Raum ohne Materialien wirkt nicht einladend. Es entstehen keine Ideen, wie das Material genutzt werden kann und so bleibt es unverbraucht verschlossen – aus den Augen, aus dem Sinn.  

Gleichzeitig haben Erzieher häufig das „Problem“, dass offen zur Verfügung stehende Verbrauchsmaterialien wie am Fließband verbraucht werden. Der ressourcenorientierte Umgang damit muss geübt und begleitet werden und wird im Öffnungsprozess zur Offenen Arbeit stetig erweitert.

Was bedeutet das konkret?

Wenn Glitzer in einem großen Behälter aufbewahrt wird, kann es schnell passieren, dass der ganze Behälter versehentlich aufs Blatt gekippt wird. Das ist ein Vesehen, welches nicht sein muss. Eine Möglichkeit wären Behälter, die ähnlich wie Salzstreuer sind. So können die Kinder selbstständig mit dem Material hantieren und die Erzieher brauchen keine Sorgen zu haben, dass der ganze Raum glitzert.

Das Material muss also gepflegt und kindgerecht gedacht werden. Der Raum bietet eine Vielfalt an Möglichkeiten, die vom Erzieher nach den Bedürfnissen der Kinder umgesetzt werden können. Allerdings wirst du nicht immer in der Rolle stehen müssen, das Material entsprechend aufzubereiten. Die Kinder können gut und kompetent in diesen Prozess eingebunden werden. Als Beispiel eigenen Buntstifte. Buntstifte werden schnell abgenutzt und wenn keine altersgerechten Anspitzer vorhanden sind, sind Kinder selten in der Lage, selbstständig die Stifte wieder anzuspitzen. Wenn diese ausreichend zur Verfügung gestellt werden, werden die Kinder sich zu helfen wissen.

Generell empfiehlt es sich, die Kinder in der Raumplanung und -ausstattung miteinzubeziehen. Das ermöglicht Teilhabe und Partizipation.

 

Umsetzung der offenen Arbeit im Kindergarten- ein Beispiel

 

Du wolltest schon immer einmal wissen, wie offene Arbeit in der Praxis funktioniert? Dieser Film zeigt anschaulich, wie ein Kindergarten mit offenen Konzept arbeitet und kann daher viele interessante Anregungen für Einrichtungen geben, die ihr pädagogisches Konzept überarbeiten möchten. Ein Focus liegt auf den Funktions- bzw. Themenräumen und auf dem Prinzip der Partizipation.

 

 

Krippe, Elementar, Vorschulgruppen – für welche Altersgruppe eignet sich das offene Konzept?

 

Es lässt sich nicht pauschal sagen, ab welchem Alter Kinder sich für das offene Konzept eignen. Wie so oft hängt es von der Umsetzung ab. Häufig werden in großen Kitas sogenannte Nestgruppen für die Krippenkinder eingerichtet. So ist die ansonsten offene Kita an diesem Ort noch ein Stück weit geschützter und bietet mehr Sicherheit und Orientierung für die Jüngsten.

Falls eine Kita sich aber doch dazu entschließt, die Krippe als offenes Konzept aufzustellen, ist es wichtig, dass die Eingewöhnung gut und sicher erfolgt ist. Es sollte viel Zeit in die Erzieher-Kind-Bindung investiert werden und erst schrittweise sollten Raum, Zeit und Angebote erweitert werden. Orientierung bietet dabei das Kind und seine Bedürfnisse.

Während der Elementarbereich in der Regel schnell gute Erfahrungen macht mit der offenen Arbeit, stellt sich im Hinblick zur anstehenden Schulreife für die Vorschulkinder die Frage, ob sie in der Kita ebenso auf die Schule vorbereitet werden wie in der klassischen Vorschule. Das kann mit einer sogenannten Lernwerkstatt gut kompensiert werden. Eine Lernwerkstatt bietet unterschiedlichste Materialien wie z.B. Buchstabenstempel, Schwungübungsaufgaben, eine Schreibmaschine, eventuell auch einen PC mit Lernprogrammen etc. Der Raum lässt sich mit allerlei Materialien ausstatten, in denen sich die Kinder entsprechend dem offenen Konzept beschäftigen können.

 

Zusammenfassung der Vor- und Nachteile bei der offenen Arbeit in der Kita

 

Hier stellen wir dir die Vor- und Nachteile der offenen Arbeit kurz und bündig zusammen. Es kann natürlich sein, dass euch in der täglichen Arbeit noch mehr Argumente einfallen, dies hier sind die gängigsten Erfahrungsberichte aus dem Diskurs zum offenen Konzept.

 

VorteileNachteile

Interessen und Stärken des Kindes werden gefördert.

 

Die Kinder kennen alle Räumlichkeiten und alle Fachkräfte aus der Kita.

 

Die Kinder haben eine größere Wahlmöglichkeit, mit wem sie wo spielen wollen – nicht nur auf eine Gruppe beschränkt.

 

Die Kinder haben mehr Entscheidungsfreiheiten. Außerdem gibt es mehr Möglichkeiten für Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

 

Beobachtungen werden aus verschiedenen Blickwinkeln getätigt und zusammengetragen.

 

Ausfälle von Erziehern sind leichter zu kompensieren – es wird auf die gesamte Kita gerechnet und nicht nur eine Gruppe, wodurch die Relation geringer ausfällt!

Es ist teilweise schwierig, Kinder mit einem besonderen Bedarf in der offenen Arbeit zu begleiten.

 

Wenn die Kinder noch nicht in der Lage sind, Eigenverantwortung zu übernehmen, können sie überfordert werden.

 

Die Lautstärke kann sich in der offenen Arbeit steigern.

 

Es werden viele Räume benötigt, das kann bei kleinen Kitas ein Problem sein. Lösungsvorschlag: Anstelle von Funktionsräumen Funktionsnischen einrichten.

 

Es gibt keine Bezugserzieher mehr – zumindest wird die Rolle weniger tragend.

 

 

Bild: Shutterstock Artikel-ID: 1723479061

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