Gesundheitsförderung im Kindergarten

 

Wer bisher geglaubt hat, dass nur Bauarbeiter oder Dachdecker in einem potentiell gesundheitsgefährdenden Beruf arbeiten, der hat noch keine Arbeitswoche in einer Kita erlebt. Gerade in älteren Gebäuden, in den Wintermonaten und in großen Einrichtungen sind pädagogische Fachkräfte großen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt. Dass gerade Erzieherinnen und Erzieher häufig krankheitsbedingt ausfallen lässt sich seit Jahren wissenschaftlich belegen. Die Techniker Krankenkasse veröffentliche bereits 2015 eine Studie aus der hervorgeht, dass Kita-Mitarbeiter häufiger krank sind als andere Arbeitnehmer. Oft sind es wie bei anderen Menschen auch Stress und psychische Erkrankungen, die Erzieherinnen und Erzieher zwingen einen Arzt aufzusuchen. Der Fachkräftemangel und die dadurch bedingten zusätzlichen Belastungen tragen natürlich nicht dazu bei, dass das Kita-Personal entspannt arbeiten kann. Es sind aber auch immer häufiger physische Probleme unter denen die pädagogischen Fachkräfte leiden.

 

Rückenschmerzen und Verspannungen - die Arbeitsbelastung von Erziehern ist enorm

Erzieherinnen über 40 Jahren arbeiten selten in der Krippe bzw. mit Kindern unter drei Jahren. Warum? Weil die Arbeit mit den Kleinen körperlich sehr anspruchsvoll ist. Sie müssen viel getragen und auf den Wickeltisch gehoben werden, das Freispiel findet überwiegend auf dem Boden statt. Die Folge sind häufig Verspannungen und Rückenschmerzen, die krankheitsbedingten Ausfälle nehmen zu. Auch in Gruppen mit Kindern über drei Jahren besteht für die Fachkräfte die Gefahr sich Rückenschäden zuzuziehen. Das Problem: Häufig sitzen die Erwachsenen auf viel zu kleinen Stühlen, beispielsweise um mit den Kindern Tischspiele zu spielen oder um zu basteln. Weitere täglich wiederkehrende Situationen, in denen der Rücken belastet wird, sind beispielsweise die Essensausgabe oder das Anziehen der Kinder in der Garderobe. Grundsätzlich verbringen viele pädagogische Fachkräfte, die im Elementarbereich arbeiten, den Großteil des Tages in gebückter Haltung.

 

In vielen Kitas geht es lauter zu als auf einer Großbaustelle- dieser Stress schlägt auf die Gesundheit

Was den Lautstärkepegel angeht, so können viele Kitas mit dem Lärm auf einer Baustelle mithalten. Messungen haben gezeigt, dass in 30 Prozent der Einrichtungen Spitzenlautstärken von über 85 Dezibel erreicht werden – bei einer derartigen Lärmbelastung am Arbeitsplatz müssten die pädagogischen Fachkräfte eigentlich einen Gehörschutz tragen. Zum Vergleich: Eine Kreissäge oder andere Maschinen sind mit 100 Dezibel auch nicht viel lauter. Sind pädagogische Fachkräfte permanent derartigem Lärm ausgesetzt, können die gesundheitlichen Folgen gravierend sein. Lärm mindert die Konzentrationsfähigkeit, begünstigt Kopfschmerzen und lässt viele Menschen nervös werden. Zudem lässt eine hohe Lautstärke den Blutdruck ansteigen.

Aber warum ist es in vielen Kitas so laut? Muss der Träger nicht dafür sorgen, dass auch in älteren Gebäude Maßnahmen für ausreichenden Lärmschutz getroffen werden?

Leider ist es so, dass Neubauten sogar weniger gut gedämmt sind als ältere Kitas. Heute werden beim Bau von Kitas oft hatte Materialien wie Glas, Parkettboden und Fliesen verwendet. Das hat architektonische Gründe, vor allem aber hygienische und ökonomische. Große Glasflächen sollen dazu beitragen Energie zu sparen. Gleichzeitig herrschen heute offene Bauweisen vor, damit die Gebäude „luftiger“ und moderner wirken. Teppiche und Gardinen, die den Schall dämpfen, dürfen vielerorts aus Brandschutzgründen nicht mehr verwendet werden. Es gibt aber auch pädagogische und strukturelle Gründe, warum es in Kitas oft unerträglich laut wird: Die Kinder sind oft nicht ausgelastet, weil sie sich zu wenig an der frischen Luft austoben können. Zu Hause sitzen sie häufig vor dem Fernseher, in den Einrichtungen selbst fehlt es an Personal um es allen Kindern zu ermöglichen sich täglich für eine länger Zeit auf dem Außengelände aufhalten zu können.

 

Eine Vielzahl von Viren und Bakterien belasten das Immunsystem

Gerade in den Wintermonaten sind Erzieher und andere pädagogische Fachkräfte häufig krank, weil sie durch eine Grippe oder eine Magen-Darm-Erkrankung außer Gefecht gesetzt werden. Das allein ist natürlich nicht verwunderlich, schließlich erkranken viele Menschen im Winter. Wer mit kleinen Kindern arbeitet ist jedoch durch den engen Kontakt besonders gefährdet. Zudem müssen Kinder erst lernen Hygieneregeln zu beachten und sich und andere vor Infektionen zu schützen. Problematisch wird es, wenn Eltern Kinder krank in die Kita schicken. Ein fieberndes Kind sollte zu Hause bleiben, ebenso ein Kind, welches unter Magen-Darm-Erkrankungen leidet. Zudem gibt es meldepflichtige Krankheiten für die es zudem klare Vorschriften vom Gesundheitsamt gibt, wann ein Kind die Einrichtung wieder besuchen kann, weil keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.

 

Gesundheitsprävention in Kitas und Krippen: diese Maßnahmen können helfen

 Müssen also Erzieher gesundheitliche Probleme quasi als „Berufsrisiko“ in Kauf nehmen? Sicherlich nicht. Die pädagogischen Fachkräfte selbst können viel dafür tun, damit sie in der Lage sind auch in höherem  Alter ihren Beruf mit Freude und Elan ausüben:

 

Prävention von Rückenproblemen:

  • Krippenkinder wenn möglich in hochwertigen und rückenschonenden Tragehilfen tragen,
  • ältere Kinder wenn möglich selbst auf den Wickeltisch klettern lassen,
  • in die Hocke gehen um Kinder hochzuheben,
  • sich bei Tätigkeiten, die potentiell Rückenbeschwerden hervorrufen können, abwechseln
  • auf die Anschaffung ergonomisch geformter Stühle mit Rollen für jede Gruppe bestehen, die höhenverstellbar sind,
  • grundsätzlich auch kleine Kinder unter der Berücksichtigung ihres Entwicklungsstandes dazu anzuhalten selbstständig zu werden, zum Beispiel beim Ausziehen der Schuhe, beim Hineinklettern in die Betten usw.

 

Weitere Anregungen liefern kleine Filmsequenzen, welche die Unfallkasse Rheinland-Pfalz online zur Verfügung stellt:

https://bildung.ukrlp.de/sicherheit-gesundheitsschutz/kita-filmreihe/

 

Prävention von gesundheitlichen Problemen durch Lärm:

  • am besten täglich bei jedem Wetter mit den Kindern auf das Außengelände gehen,
  • es größeren Kindern nach Absprache ermöglichen in Kleingruppen draußen zu spielen,
  • die Turnhalle möglichst häufig nutzen und dort Bewegungsbaustellen oder Spiele anbieten,
  • Ruheecken oder Ruheräume schaffen, die Rückzugsmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene bieten,
  • die Kinder früh für die Gefahren von Lärm sensibilisieren,
  • regelmäßig Lärmmessungen durchführen und mit dem Träger Maßnahmen besprechen, die dem Lärm- und Schallschutz dienen können,
  • häufig Kleingruppenarbeit anstreben, so dass sich nicht zu viele Kinder in einem Raum aufhalten,
  • das pädagogische Konzept überarbeiten: Funktionsräume und die Möglichkeit auf dem Flur spielen zu können helfen häufig den Lautstärkepegel in den einzelnen Räumen zu senken,
  • lautere Freispielphasen sollten sich mit gelenkten Tätigkeiten abwechseln – an Tagen, an denen die Kinder sehr unruhig sind, können Angebote im Bereich Entspannung und Meditation für alle Beteiligten Entlastung schaffen

 

Prävention im Hinblick auf Erkrankungen durch Infektionen:

  • auf Hygiene achten: Einweghandschuhe beim Wickeln benutzen, Wickelauflagen und Hände desinfizieren, Kindertoiletten regelmäßig kontrollieren und bei Bedarf säubern, Kinder dazu anhalten, nach jedem Toilettengang die Hände zu waschen, in Krippen Spielzeug regelmäßig reinigen und gegebenenfalls desinfizieren,
  • kranke Kinder rigoros abholen lassen,
  • im Eingangsbereich über aktuell grassierende Krankheiten informieren, auch über Symptome und Krankheitsverlauf sowie über Empfehlungen, wie lange erkrankte Kinder die Einrichtung nicht besuchen dürfen,
  • bei Krankmeldungen nach dem Grund fragen,
  • Räume auch im Winter gut lüften,
  • gerade im Winter so oft wie möglich Obst und Gemüse anbieten, welches viel Vitamin C enthält,
  • Eltern, die Kinder krank in die Kita schicken gezielt ansprechen und auch darauf hinweisen, dass ein solches Verhalten dazu führt, dass Krankheiten sich immer weiter ausbreiten und auch das (meist ohnehin unterbesetzte) Team betroffen ist
  • den eigenen Impfstatus überprüfen und gegebenenfalls Impfungen nachholen und auffrischen – das gilt insbesondere dann, wenn ein Kinderwunsch besteht. Schwangere Erzieherinnen, bei denen bei der obligatorischen Blutuntersuchung keine Antikörper gegen Windpocken nachgewiesen werden können, dürfen nicht mehr länger ihrem Beruf nachgehen
  • selbst gesund leben und im Alltag auf ausreichend Bewegung, Hygiene und eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung achten. Sportangebote wie Yoga oder Rückengymnastik wirken sowohl präventiv als auch dann, wenn Betroffene bereits Beschwerden haben. Alle vermeintlich gesundheitsfördernden Maßnahmen sollten jedoch vorher zunächst mit dem Hausarzt abgesprochen werden!

 

Belastung in den Berufsfeldern der Kinder

Der Erzieherberuf kann sehr erfüllend sein, aber er bringt auch Belastungen und Herausforderungen mit sich. Mit diesem Thema beschäftigt sich der Film. Denn Erzieherinnen tragen viel Verantwortung und müssen gleichzeitig physische und psychische Konsequenzen in Kauf nehmen.

 

Wichtig: Aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels in Krippen und Kitas kann es sich kein Träger leisten, wenn seine Mitarbeiter am Arbeitsplatz großen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind und krank werden. Diese Tatsache versetzt Erzieherinnen und Erzieher in eine gute Verhandlungsposition wenn es darum geht Maßnahmen zur Gesundheitsprävention durchzusetzen. Weigern sich die Verantwortlichen beispielsweise rückenschonende Stühle für Erwachsene anzuschaffen reicht eventuell ein dezenter Hinweis darauf, dass andere Träger diese schon vor Jahren ihren Teams zur Verfügung gestellt haben – gutes Personal wird schließlich überall händeringend gesucht und wenn Erzieherinnen und Erzieher die Wahl haben entscheiden sie sicher lieber für einen Träger, der den Arbeitsschutz nicht auf die leichte Schulter nimmt. Bevor die Situation eskaliert hilft es vielen Fällen eine Fachberatung in Anspruch zu nehmen – vielleicht haben andere Einrichtungen ähnliche Probleme und die jeweilige Fachberaterin bzw. der Fachberater kann zwischen Träger und Team vermitteln sowie wertvolle Tipps in Sachen Gesundheitsprävention geben. Nicht zuletzt sind pädagogische Fachkräfte Vorbilder und sollten Kindern vermitteln, dass es wichtig ist die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und auf die Signale des Körpers zu hören. Daher muss niemand ein schlechtes Gewissen haben die Verantwortlichen über potenzielle Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz aufmerksam zu machen und diese aufzufordern etwas zu ändern!

 Eine weitere ausführlich dokumentierte und ausgewertete Studie zum Thema betriebliche Gesundheitsvorsorge für pädagogische Fachkräfte findest du hier.

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