Das baden-württembergische Kabinett hat kürzlich einen wegweisenden Beschluss gefasst, der Kindertageseinrichtungen im Land die Möglichkeit einräumt, unter bestimmten Bedingungen von den geltenden Personalvorgaben abzuweichen. Dieser Schritt soll es den Einrichtungen erlauben, zukünftig weniger Erzieher pro Gruppe einzusetzen, und zwar aus Gründen des akuten Fachkräftemangels. Diese Neuerung beinhaltet die Einführung eines "Erprobungsparagrafen," der kürzlich vom Kabinett genehmigt wurde. Der Landtag wird im Herbst über den dazugehörigen Gesetzentwurf diskutieren und abstimmen.
Mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung
Die Zielsetzung dieser neuen Regelung, wie sie vom Kultusministerium zuvor erläutert wurde, besteht darin, einen rechtssicheren Rahmen für die Erprobung neuer Ideen und Konzepte in der Kinderbetreuung zu schaffen. Volker Schebesta, Staatssekretär im Kultusministerium, betonte, dass diese Maßnahme Kindertageseinrichtungen mehr Flexibilität ermöglicht, um besser auf die individuellen Bedürfnisse vor Ort einzugehen.
Erweiterung der Entscheidungskompetenz auf Kitaträger vor Ort
Mit Hilfe dieses neuen Paragrafen werden Kitaträger vor Ort künftig die Befugnis haben, die Personalvorgaben vorübergehend zu lockern, sofern das Konzept mit den betroffenen Parteien abgestimmt wurde. Das Landesjugendamt wird diese Anträge prüfen. Wenn das Modell nach der Erprobung erfolgreich ist, muss seine Wirksamkeit nachgewiesen werden. Die Landesregierung erhofft sich durch diese Regelung, zusätzliche Kita-Plätze zu schaffen und zu erhalten, um ausreichende Betreuungszeiten gewährleisten zu können.
Hintergrund und Herausforderungen
Die Entscheidung, die Personalvorgaben in Kindertageseinrichtungen zu lockern, resultiert aus einem erheblichen Fachkräftemangel in Baden-Württemberg. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung wird es im Jahr 2023 voraussichtlich an rund 57.600 Kitaplätzen fehlen. Um diese Lücke zu schließen, müssten die Kommunen als Kita-Träger zusätzlich 16.800 Fachkräfte einstellen, wobei die geschätzten Kosten dafür bei über 700 Millionen Euro pro Jahr liegen – und hierbei sind noch nicht die Betriebs- und Baukosten berücksichtigt.
Herausforderungen für die Kinderbetreuung in Baden-Württemberg
Staatssekretär Schebesta betonte, dass trotz erheblicher Investitionen in die Ausbildungskapazitäten und Ausbildungswege für pädagogisches Fachpersonal, der Bedarf nach wie vor hoch sei. Ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Baden-Württemberg (IAB) unterstrich die angespannte Lage, in der sich Kindertagesstätten im Land befinden. Obwohl die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher gestiegen ist, könnte sich der Personalengpass noch verschärfen, da viele Fachkräfte nach fünf Jahren den Beruf wechseln oder in Rente gehen, während der Betreuungsbedarf weiter wächst.
Gender-spezifische Aspekte der Kinderbetreuung
Besonders auffällig ist der Arbeitsplatzwechsel bei männlichen Erziehern, von denen nach fünf Jahren nur noch jeder dritte im Beruf bleibt. Die Bezahlung von Erziehern hat sich zwar verbessert, liegt jedoch mit 3.575 Euro monatlich immer noch etwa 240 Euro unter dem Durchschnittsgehalt aller Berufe im Land.
Förderung des Berufseinstiegs in der Kinderbetreuung
Eine Lösung, um mehr Menschen für den Beruf der Kinderbetreuung zu gewinnen, ist die Einführung einer verkürzten Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten. Die Arbeitsagentur berichtet, dass im September etwa 600 Menschen mit einer erhöhten Ausbildungsvergütung von mehr als 2.000 Euro den "Direkteinstieg Kita" begonnen haben.
Quellen:
- [Link zur Originalnachricht](URL zur Originalnachricht)
- Studie der Bertelsmann Stiftung
- [Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Baden-Württemberg (IAB)](Link zum Bericht des IAB)
- Bundesagentur für Arbeit (Kein spezifischer Link angegeben)
- Informationen zur verkürzten Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten (Kein spezifischer Link angegeben)