Das wichtigsten Fragen und Antworten zum Anti-Bias-Ansatz in Kürze:
Was ist der Anti-Bias-Ansatz?
Der Anti-Bias-Ansatz ist ein diskriminierungskritisches Konzept für die pädagogische Praxis. Zielgruppe sind vor allem Kinder zwischen drei und zehn Jahren, die ermutigt werden sollen vorurteilsbewusst zu handeln und sich zusammen mit anderen gegen Diskriminierung und Machtmissbrauch zu wehren.
Woher stammt der Anti-Bias-Ansatz?
Anti-Bias wurde in den 1980er-Jahren in den USA vor dem Hintergrund der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung entwickelt.
Warum ist Anti-Bias so wichtig für die pädagogische Arbeit in Kitas und Schulen?
In Deutschland ist es verboten Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihres Alters oder ihres Aussehens zu diskriminieren. Grundlage ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Gleichzeitig gehören Vorurteile und das sprichwörtliche „Schubladendenken“ zum menschlichen Wesen. Der Anti-Bias-Ansatz macht diese Ambivalenz schon für junge Kinder begreifbar und ist eine sinnvolle Methode Grundwerte wie Toleranz und ein wertschätzendes Miteinander altersgerecht zu vermitteln.
Der Anti-Bias-Ansatz – Definition und Hintergründe
„Es ist nie zu spät ein Vorurteil abzulegen“.
Das Zitat stammt von dem amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau und stimmt sicherlich. Dennoch: Besser ist es, bereits Kita-Kinder für den bewussten Umgang mit Vorurteilen zu sensibilisieren und Diskriminierung zu verhindern. Genau das ist das Ziel des Anti-Bias-Ansatzes, der in den 1980er-Jahren in den USA unter dem Namen „Anti-Bias-Approach“ entwickelt wurde und spätestens seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts auch die pädagogische Arbeit in deutschen Kitas und Schulen beeinflusst.
Zur Definition: Der englische Begriff „Bias“ kann mit „Einseitigkeit“ oder „Voreingenommenheit“ übersetzt werden. In der politischen und pädagogischen Arbeit mit dem Anti-Bias-Ansatz geht es darum verantwortlich mit Vorurteilen umzugehen, diese zu hinterfragen und Diskrimierungen auf allen Ebenen (zwischenmenschlich, gesellschaftlich, kulturell und institutionell) abzubauen.
Die 4 Ziele beim Anti-Bias-Ansatz – Darauf kommt es an
Die vier Ziele beim Anti-Bias-Ansatz sind:
1. Identitätsbewusstsein fördern: Kinder sollen ein starkes Selbstbewusstsein entwickeln und sich ihrer eigenen Identität bewusst werden. Sie lernen, wer sie sind, welche Merkmale sie einzigartig machen und wie sie sich in einer vielfältigen Gesellschaft positionieren können.
2. Respekt vor Vielfalt fördern: Kinder sollen lernen, die Vielfalt in ihrer Umgebung zu respektieren und zu schätzen. Dies umfasst die Anerkennung unterschiedlicher Kulturen, Familienstrukturen, Geschlechter, Fähigkeiten und Hintergründe.
3. Vorurteile erkennen und abbauen: Kinder werden dazu ermutigt, Vorurteile zu erkennen und zu verstehen, wie sie entstehen können. Sie lernen, stereotype Denkmuster zu hinterfragen und Vorurteile abzubauen, um eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu fördern.
4. Handlungsfähigkeit stärken: Kinder werden befähigt, aktiv gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit einzutreten. Sie lernen, sich für sich selbst und für andere einzusetzen, Konflikte konstruktiv zu lösen und für Gerechtigkeit einzutreten.
Der Anti-Bias-Ansatz in der Kita – Methoden und Konzepte
Der Anti-Bias-Ansatz ist ein pädagogisches Konzept, das darauf abzielt, Vorurteile und Diskriminierung von Anfang an entgegenzuwirken. Er wurde von den amerikanischen Pädagoginnen Louise Derman-Sparks und Carol Brunson Phillips entwickelt und hat seinen Ursprung in der Anti-Bias-Erziehung.
Im Kontext der Kindertagesstätten (Kitas) bedeutet der Anti-Bias-Ansatz, den Kindern eine Umgebung zu bieten, in der Vielfalt geschätzt, gefeiert und als Normalität akzeptiert wird. Dabei werden die Kinder ermutigt, ihre eigene Identität zu erkunden und zu verstehen sowie die Vielfalt in ihrer Umgebung anzuerkennen.
Ein zentraler Aspekt des Anti-Bias-Ansatzes ist es, Stereotypen und Vorurteile zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Dies geschieht durch verschiedene pädagogische Maßnahmen, wie zum Beispiel:
- Literatur und Materialien, die Vielfalt repräsentieren: Bücher, Spielzeug und andere Materialien sollten eine Vielfalt an Kulturen, Familienkonstellationen, Geschlechtern, Fähigkeiten und Hintergründen abbilden.
- Bewusstsein für Sprache: Pädagoginnen und Pädagogen achten darauf, eine inklusive Sprache zu verwenden, die niemanden ausschließt oder stereotype Geschlechtsrollen verstärkt.
- Sensibilisierung für kulturelle Vielfalt: Kinder lernen, verschiedene kulturelle Traditionen und Perspektiven zu respektieren und zu schätzen.
- Konfliktlösung und Empathie: Kinder werden darin unterstützt, Konflikte auf faire und respektvolle Weise zu lösen und Empathie für andere zu entwickeln, unabhängig von deren Hintergrund.
- Weiterbildung und Professionalisierung: Regelmäßige Fortbildungen befähigen pädagogische Fachkräfte auch die eigenen Vorurteile und stereotypen Denkmuster kritisch zu hinterfragen.
- Kooperationen mit Eltern: Anti-Bias kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen und Kinder auch zu Hause einen kritischen Umgang mit Vorurteilen lernen. Daher ist es wichtig Eltern mit einzubeziehen und entsprechendes Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen.
- Feiern von Vielfalt: Veranstaltungen und Aktivitäten, die die Vielfalt in der Gemeinschaft feiern, wie z.B. kulturelle Feste, Vorlesestunden mit Büchern aus verschiedenen Kulturen oder Projekte zur Erforschung der eigenen Familiengeschichte tragen dazu bei, dass alle sich wertgeschätzt fühlen und ein Klima des „Willkommen Seins“ gepflegt wird.
Der Anti-Bias-Ansatz zielt darauf ab, eine inklusive und respektvolle Umgebung zu schaffen, in der alle Kinder und deren Familien sich akzeptiert und wertgeschätzt fühlen können, unabhängig von ihren individuellen Merkmalen.
Anti-Bias in der Kita umsetzen – Praxisbeispiel
Im Kita-Alltag gibt es viele Situationen, in denen präventiv gegen die Verfestigung von Vorurteilen gearbeitet werden kann. Häufig sind es Kinder, die sich sehr gut ausdrücken können und einen großen Wortschatz haben, die durch ihre Äußerungen bereits erworbene Vorurteile erkennen lassen.
Folgendes Fallbeispiel soll dies verdeutlichen:
Drei Kinder sitzen am Frühstückstisch. Paul und Mia sind Vorschulkinder, daneben sitzt Yussef, 4,5 Jahre alt. Yussef besucht die Kita erst seit kurzer Zeit, er ist mit seiner Familie aus Syrien geflohen und spricht noch nicht so gut Deutsch.
Mia und Paul beginnen zu tuscheln, als Yussef sein Frühstück auspackt. Paul fragt: „Warum isst du denn Frikadellen zum Frühstück? Das ist doch ein Mittagessen und außerdem soll man nicht so viel Fleisch essen.“
Mia ergänzt: „Ja, genau! Dein Brot sieht auch komisch aus.“
Yussef antwortet nicht, packt jedoch sein Frühstück wieder ein. Paul und Mia lachen.
Wie könnte eine pädagogische Fachkraft, die die Szene beobachtet hat, angemessen auf die Situation reagieren?
Zunächst wäre es sicher sinnvoll Yussef beizustehen und ihn zum Weiteressen zu ermutigen. Um ihm zu signalisieren, dass sein Frühstück vollkommen in Ordnung ist und gleichzeitig Wertschätzung auszudrücken könnte sie den Jungen fragen, was er dabei hat, wie man die Speisen auf Arabisch nennt usw.
Um alle Kinder für kulturelle Vielfalt zu sensibilisieren bietet es sich an, im Stuhlkreis ein Sachbuch zu Speisen aus aller Welt zu betrachten. In der nächsten Woche bereiten dann einige Kinder gemeinsam mit Eltern arabische Gerichte zu.
Weitere Ideen:
- Yussef begrüßt die Kinder im Morgenkreis in seiner Muttersprache. Anschließend zählt er alle anwesenden Kinder auf Arabisch. Auch Marie, deren Muttersprache Französisch ist und Melek, die neben Deutsch auch Türkisch spricht, erhalten die Möglichkeiten ihre Sprache einzubringen.
- Die pädagogischen Fachkräfte fragen Yussef immer wieder, wie bestimmte Begriffe in seiner seiner Muttersprache heißen und versuchen die Worte zu wiederholen. Das gelingt ihnen wahrscheinlich nur mäßig, was Yussef immer wieder zum Lachen bringt. Er wird sich als geduldiger Lehrer erweisen und erfährt gleichzeitig Wertschätzung für seine Sprache.
- Es gibt mittlerweile viele Kinderlieder, die (kulturelle) Vielfalt thematisieren. Werte wie Toleranz und eine positive Einstellung zu Diversität können so ganz nebenbei vermittelt werden.
- Ein Bilderbuch ist ein gutes Medium um Kinder dazu anzuregen sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Empathie muss erst erlernt werden. Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen, um Denkprozesse anzuregen. Geeignete Leitfragen können sein:
• „Wie fühlst du dich, wenn jemand über dich lacht?“
• „Was haben wir alle gemeinsam und was unterscheidet uns?“
• „Welche Sprachen kennst du?“ „Kannst du einige Wörter in der fremden Sprache sprechen oder verstehen?“
• „Was bedeutet es fremd zu sein?“
• „Was können wir voneinander lernen?“
Gut zu wissen: Schon Vierjährige haben in der Regel Vorurteile verinnerlicht und denken in Stereotypen. Aussagen wie „Jungen spielen nicht mit Puppen“, „Mädchen mögen Rosa“ oder „Ali kann kein Deutsch, weil er Türke ist“ hört man in dieser Altersgruppe häufig. Hintergrund sind Aussagen und Handlungen von Bezugspersonen, aber auch die Peer-Group hat schon Einfluss auf die eigene Einstellung. Die Kita ist der beste Ort dieser Entwicklung entgegenzuwirken und Kinder für die Mechanismen von Diskriminierung zu sensibilisieren.
Bild: shutterstock_2362528971
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