
Ein Erziehungsstil beschreibt eine beständige und charakteristische Art, wie Erziehende mit Kindern interagieren. Dabei spielt die zugrunde liegende Haltung gegenüber dem Kind eine zentrale Rolle.
Der Forscher Glen Elder unterschied 1962 sieben verschiedene Erziehungsstile, die sich in ihrem Einfluss auf die Entwicklung von Kindern stark unterscheiden. Die amerikanische Entwicklungspsychologin Diana Baumrind ergänzte noch den Autoritativen Erziehungsstil, der heute neben dem Demokratischen Erziehungsstil als besonders förderlich für die gesunde Entwicklung von Kindern gilt.
Nachfolgend werden diese Stile erläutert, mit praktischen Beispielen aus dem Kindergartenalltag veranschaulicht sowie deren Vorteile und Nachteile aufgezeigt.
1. Autokratischer Erziehungsstil
Dieser Stil basiert auf der Überzeugung, dass eine strenge Autorität notwendig ist. Kinder haben kein Mitspracherecht, ihre Meinung wird nicht berücksichtigt. Strafen als Erziehungsmethode sind legitim.
Beispiel für einen autokratischen Erziehungsstil: Eine Erzieherin bestimmt allein, wann und was gespielt wird. Regeln werden strikt durchgesetzt, ohne Diskussion. Ein Kind, das nach einer Alternative fragt, erhält eine kurze Anweisung, ohne Erklärung.
Vorteile:
- Klare Strukturen und Regeln geben Sicherheit
- Disziplin und Gehorsam werden gefördert
Nachteile:
- Kinder entwickeln wenig Eigeninitiative und Kreativität
- Angst vor Fehlern und Unsicherheit kann entstehen
- Kinder leiden physisch und psychisch
2. Autoritärer Erziehungsstil
Ähnlich wie beim autokratischen Stil gibt es eine starke Kontrolle, jedoch wird die Meinung der Kinder zumindest angehört. Letztendlich entscheiden jedoch die Erwachsenen. Drohungen und Strafen sind als Mittel zum Zweck zulässig.
Beispiel für einen autoritären Erziehungsstil: Im Morgenkreis schlägt ein Kind ein Spiel vor. Die Erzieherin hört sich den Vorschlag an, entscheidet aber letztlich für ein anderes Spiel, da sie es für sinnvoller hält.
Vorteile:
- Klare Regeln und Orientierung für die Kinder
- Strukturierte Erziehung mit klaren Erwartungen
Nachteile:
- Kinder fühlen sich oft nicht ernst genommen
- Geringe Entwicklung von Selbstständigkeit und Entscheidungsfreude
- Kindliche Entwicklung wird negativ beeinflusst
3. Demokratischer Erziehungsstil
Kinder werden als gleichwertige Partner wahrgenommen. Sie dürfen Entscheidungen mitgestalten und lernen, Verantwortung zu übernehmen.
Beispiel für den demokratischen Erziehungsstil: Bei der Gestaltung der Leseecke dürfen die Kinder mitbestimmen, welche Bücher zur Verfügung stehen. Vorschläge werden gemeinsam besprochen und abgestimmt.
Vorteile:
- Fördert Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung
- Kinder lernen soziale Kompetenzen und Teamarbeit
Nachteile:
- Entscheidungen dauern oft länger
- Erzieher benötigen viel Geduld und Flexibilität
- Heterogene Kita-Gruppen, strukturelle Probleme und Zeitmangel erschweren Umsetzung
4. Egalitärer Erziehungsstil
Kinder und Erziehende stehen auf einer Ebene mit denselben Rechten und Pflichten. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen.
Beispiel für den egalitären Erziehungsstil: Beim Aufräumen wird gemeinsam entschieden, welche Aufgaben anstehen. Erzieher und Kinder teilen sich die Verantwortung, sodass alle aktiv mitwirken.
Vorteile:
- Kinder erleben echte Mitbestimmung und Gerechtigkeit.
- Fördert Verantwortungsbewusstsein und Teamgeist.
Nachteile:
- Gefahr von Unklarheiten bei Autorität und Verantwortung.
- Kinder können sich überfordert fühlen, wenn keine klare Führung vorhanden ist.
5. Permissiver Erziehungsstil
Die Erziehenden greifen kaum ein und lassen den Kindern viel Freiraum. Kinder müssen oft selbstständig Entscheidungen treffen.
Beispiel für den Permissiven Erziehungsstil: Ein Kind entscheidet selbst, ob es an einer Gruppenaktivität teilnehmen möchte. Die Erzieherin gibt keine klare Struktur vor, sondern beobachtet nur aus der Distanz.
Vorteile:
- Kinder können ihre Kreativität und Selbstständigkeit entwickeln.
- Wenig Druck und hohe persönliche Entfaltungsmöglichkeiten.
Nachteile:
- Fehlende Regeln können zu Unsicherheit führen.
- Kinder könnten Schwierigkeiten haben, sich an soziale Normen zu halten.
6. Laisser-faire-Erziehungsstil
Es gibt kaum Regeln oder Vorgaben. Kinder sind weitgehend sich selbst überlassen und treffen alle Entscheidungen selbst.
Beispiel für den laisserfairen Erziehungsstil: Im Freispiel kann jedes Kind tun, was es möchte, ohne dass die Erzieherin eingreift oder Grenzen setzt, selbst wenn Konflikte entstehen.
Vorteile:
- Absolute Freiheit für die Kinder.
- Kinder lernen, eigenständig zu handeln.
Nachteile:
- Mangel an Orientierung und Sicherheit.
- Soziale Konflikte können ungehemmt eskalieren.
- Gefahr, dass sich das „Recht des stärkeren durchsetzt“, was zu Ungerechtigkeit und Unterdrückung führt
7. Negierender Erziehungsstil
Die Bezugspersonen zeigen wenig bis kein Interesse am Kind und überlassen ihm sämtliche Entscheidungen, ohne Unterstützung oder Anleitung.
Beispiel für den Negierenden Erziehungsstiel: Ein Kind hat Schwierigkeiten, mit anderen zu interagieren, doch die Erzieherin ignoriert das Verhalten, anstatt es zu fördern oder Hilfestellung zu leisten.
Vorteile:
- Kinder haben absolute Unabhängigkeit.
Nachteile:
- Fehlende emotionale Unterstützung kann zu Entwicklungsproblemen führen.
- Kinder fühlen sich oft einsam und orientierungslos.
8. Autoritativer Erziehungsstil (nach Baumrind)
Eine ausgewogene Mischung aus klaren Regeln und liebevoller Unterstützung. Erwachsene setzen Grenzen, erklären ihre Entscheidungen und zeigen gleichzeitig Verständnis und Zuwendung.
Beispiel für den autoritativen Erziehungsstil: „Ich verstehe deine Sichtweise und höre dir zu, aber wir müssen uns an bestimmte Regeln halten, damit alle sich wohlfühlen.“
Vorteile:
- Fördert Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ein gesundes Selbstwertgefühl.
- Kinder lernen, Entscheidungen zu treffen und Konsequenzen zu verstehen.
Nachteile:
- Erfordert viel Geduld, Konsequenz und eine aktive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des Kindes.
Gut zu wissen:
Die „Antiautoritäre Erziehung“ wird häufig irrtümlich als eigenständiger Erziehungsstil betrachtet. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen übergeordneten Begriff für verschiedene Erziehungskonzepte, die sich bewusst von autoritären Methoden abgrenzen. Sie basiert auf unterschiedlichen pädagogischen Prinzipien und Normen, wobei die theoretischen Ansätze und Leitbilder je nach Zielsetzung des jeweiligen Konzepts variieren können.
Welcher Erziehungsstil ist der richtige in der Kita?
In der Kita gibt es keinen “einen richtigen” Erziehungsstil – entscheidend ist, dass der Stil zur Entwicklungsförderung der Kinder beiträgt und sich am Kind orientiert. Eine Kita ist ein Ort, an dem Kinder unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Voraussetzungen aufeinandertreffen. Die Gruppenzusammensetzung in Kitas ist heute viel heterogener als noch vor zehn oder 20 Jahren.
Am besten bewährt hat sich in der frühkindlichen Bildung der Autoritative Erziehungsstil, weil er Kindern sowohl Orientierung durch Regeln und feste Strukturen bietet, als auch die Möglichkeit zur individuellen Mitwirkung, Entfaltung und Exploration. Jedes Kind sollten Sicherheit spüren, sich geborgen fühlen, Selbstwirksamkeit erfahren und sich als Person angenommen fühlen. Erziehung ist kein Selbstzweck – sie dient dazu einem Menschen in seiner Entwicklung zu so begleiten und zu unterstützen, dass dieser seine individuelle Persönlichkeit entfalten kann und seinen Platz in unserer Gesellschaft findet.
Fazit
Der Erziehungsstil beeinflusst maßgeblich die Entwicklung eines Kindes. Besonders im Kindergarten ist es wichtig, eine Balance zwischen Anleitung und Eigenständigkeit zu finden. Der Demokratische Erziehungsstil wird häufig als ideal angesehen, da er sowohl Orientierung als auch Mitbestimmung ermöglicht und Kindern hilft, sich zu selbstbewussten und sozial kompetenten Menschen zu entwickeln,
In der Praxis bewährt hat sich aber eher der autoritative Erziehungsstil, weil in einer Gemeinschaftseinrichtung aus strukturellen, aber auch aus pädagogischen Gründen nicht jede Entscheidung mit allen Kindern diskutiert und erarbeitet werden kann und sollte.
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