Die Lernwerkstatt im Kindergarten

Theos Papa hat zuhause für die Vögel im Winter ein Vogelhaus gebaut. Nun möchte Theo selbst bauen. Er hat eine Idee und bittet seine Kita-Erzieherin Carola, ihm bei der Umsetzung zu helfen. Carola nimmt ihn dazu mit in die Lernwerkstatt. Was aber ist denn eigentlich eine Lernwerkstatt?

Ziel der Lernwerkstatt – Spielraum zum Selbstwirksamwerden schaffen

 

Beinahe jede Kindertagesstätte übernimmt mittlerweile die Idee einer Lernwerkstatt. An diesem Ort sollen Kinder ihre Interessen entwickeln, sich ausprobieren und spielerisch weiterbilden können. Diese Werkstatt ist daher ein „Spielraum“ für die kindliche Bildung. Für Theo bietet sie viel Material zum Experimentieren sowie nützliche Werkzeuge, die sogar Erwachsene benutzen. Ein besonderer Anreiz also für ihn, hier zu werkeln. Hier kann er nun selbstbestimmt mit seinem gewünschten Material Holz arbeiten, es näher kennenlernen und sich selbst dabei erproben. Carola unterstützt ihn bei seinem Selbstbildungsprozess, beantwortet seine Fragen und sucht mit ihm zusammen passendes Werkzeug aus.

Doch es gibt nicht nur Holz in einer Lernwerkstatt. In dieser Werkstatt kannst du den Kindern viel mehr ermöglichen. Du kennst als Pädagog*in die verschiedenen Interessen der Kinder, greifst die verschiedenen Themen auf und legst dort dazu Materialien für sie bereit.

  • Dadurch werden die Bedürfnisse der Kinder nach Selbstwirksamkeit an diesem Ort erfüllt, denn sie erleben Spaß am eigenen Tun. Häufig erhalten die Kinder auch erst durch die Bereitstellung der Materialien ihre Inspiration, werden neugierig auf Material und Werkzeug.
     

Lernwerkstätten und Projekte in der Kita - Unsere Buchempfehlung

 


Was muss man über die Struktur, die Ziele und die Bedeutsamkeit offener Bildungsprozesse wissen? Wie kann man auf die Bildungsvoraussetzungen von Kindern eingehen? Und wie können die Bildungsprozesse in Werkstattphasen beobachtet und dokumentiert werden?Neben der Darstellung von klassischen Lernwerkstätten in der Tradition von Montessori, Freinet und Dewey (Kreativwerkstatt, Konstruktionswerkstatt, Holzwerkstatt etc.), wird das Spektrum um themenbezogener Lernwerkstätten, z.B. zu Zahlen, Farben, Formen und Figuren, erweitert. Das neue Konzept der Lernlandschaften als experimentelle Lernumgebungen wird an verschiedenen Beispielen (z.B. Tiere, Natur, Steine, Jahreszeiten, Töne und Klänge etc.) vorgestellt. Der Band ist als umfassendes Standardwerk konzipiert, das alle Beteiligten – erfahrene PädagogInnen, angehende ErzieherInnen, Eltern und Kinder – in das Vorgehen einbezieht und zu Wort kommen lässt.

 

Lernwerkstatt in Kindergarten und Kita

Hier einige Beispiele und Ideen zur Einrichtung eurer Lernwerkstatt

 

  • Lia ist fasziniert von Magneten. Sie findet hier viele Materialien zum Thema Magnetismus in einer von den Pädagog*innen ausgezeichneten Stelle in der Lernwerkstatt: u. a. große Magnete und viele Metalldeckel von Schraubgläsern, Ball- und Stabmagnete, die sich mal anziehen und abstoßen und Magnetbilder, mit denen man an einer Tafel Geschichten gestalten kann.
  • Alessa kommt bald in die Schule und interessiert sich bereits für das Schreiben und Lesen. Sie erkennt schon Buchstaben, sucht sich einige aus einer Kiste heraus und legt sie zu kleinen Wörtern zusammen. Danach setzt sie sich an die alte Schreibmaschine in der Ecke und tippt die Wörter ab. Das fertige Blatt schaut sie sich am Schluss begeistert an.

 

In einer Lernwerkstatt bietest du folglich interessierten Kindern den Raum, in der sie Dinge ungestört entdecken können:

 

  • Dazu ist ein separater, passender Bereich notwendig, der allen Kindern im Kindergarten zugänglich sein sollte.
  • In vielerlei Hinsicht bietet diese Werkstatt Kindern ein entspanntes Arbeiten. Sie kommen oft mit Wünschen und möchten sie in irgendeiner Weise umsetzen.
  • In einer gut organisierten Lernwerkstatt findet jedes Kind die nötigen Materialien, mit denen es arbeiten kann.
  • Dazu gibt der Raum ihnen Zeit und die nötige Begrenztheit, damit sie selbst und ohne Ablenkung dort tätig werden können. Meist arbeiten daher nicht mehr als vier bis fünf Kinder gleichzeitig in ihm. Dabei kann allerdings jedes Kind seinen eigenen Interessen folgen oder aber auch gemeinsam neuen Ideen nachgehen.
  • Begleitet werden die Kinder von dir oder einer anderen Erzieherin. Du solltest den Raum gut kennen und den Kindern helfend zur Seite stehen.
  • Viele Bildungswelten finden in diesem Raum ihren Platz, gut sortiert und übersichtlich. Die Welten sind auch abgestimmt mit den Interessen aller Kinder. Im Idealfall haben die Kinder sogar partizipativ bei der Einrichtung des Raumen mitgearbeitet. Die einzelnen Bildungsbereiche der Bildungs- und Orientierungspläne der jeweiligen Länder dienen euch dabei als Rahmen, in diesen dann die einzelnen Themen der Kinder zugeordnet werden können:

 

  • Sprache und schriftsprachliche Bildung (z. B. Wortschatzkiste…)
  • Mathematik (z.B. Zu-Ordnen, Sortieren von Material…)
  • künstlerisch-ästhetische Bildung (z. B. Gestalten, Malen…)
  • Naturwissenschaften (z. B. Experimentieren…)
  • Technik (z. B. Bauen und Konstruieren mit Ton oder Holz)

 

Durch euch erstellte Piktogramme helfen den Kindern dabei, sich im Raum zurechtzufinden. Gut geordnet entsteht so eine Hilfe für die räumliche Orientierung für alle. Wo stehen der Holzbohrer und das nötige Holz zum Bearbeiten? Und welche Materialien bietet die Werkstatt zum Erforschen von Luft? Pappe, Kleber, verschiedene Farben haben hier ihren Platz und sind gut erkenn- sowie erreichbar. Das hilft euch auch bei dem späteren, gemeinsamen Aufräumen.

 

Wichtige Leitlinien für die Erstellung einer Lernwerkstatt, die es zu beachten gilt:

 

  1. Eine Lernwerkstatt muss transparent gestaltet sein. Jeder, der eintritt, findet schnell sein benötigtes Material. Dazu ist immer ein/e Pädagog*in anwesend, die den Kindern weiterhelfen kann. Diese/r steht im engen Kontakt mit den Kindern, berät und unterstützt die Kinder bei der Materialwahl. Bildzeichen helfen den Kindern zusätzlich bei der Orientierung im Raum.
  2. Die Lernwerkstatt kann gruppenübergreifend genutzt werden und hat bestenfalls flexible Öffnungszeiten. Optimal hierfür ist die Offene Arbeit, da hier die Kinder selbstbestimmt ihren eigenen Entscheidungsspielraum ausnutzen können. Wer in die Lernwerkstatt geht, muss dies allerdings vorab in seiner Gruppe kommunizieren. Auch, damit nicht alle gleichzeitig dort auftauchen.
  3. Experimente machen sind erlaubt und sogar gewünscht. Dazu werden vorab Regeln aufgestellt, an die sich alle zu halten haben (Vorsicht mit Feuer etc.; leise sein, um konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen). Diese Regeln müssen jedem Kind, das in die Lernwerkstatt möchte, zugänglich sein. Dazu sind vorherige Gesprächsrunden in der Kindergruppe sehr hilfreich, auch damit die Regeln mit euch gemeinsam gefestigt werden können.
  4. Es kann sich nur eine Mindestanzahl von Kindern darin aufhalten, abhängig von der Größe des Raumes und den Themen (Baukonstruktionen benötigen manchmal auch mehr Platz als gedacht!). Auch eine zeitliche Eingrenzung auf ca. eine Stunde ist denkbar. So haben auch andere Kinder noch die Möglichkeiten, den Raum danach zu nutzen.
  5. Zur Sinnstiftung und Weckung der kindlichen Neugier finden hier auch Nachschlagewerke und kindliche Fachliteratur seinen Platz.
  6. Werden durch euch besondere Angebote für die Kinder geschaffen, muss dies auch für alle kommuniziert werden. Idealerweise wiederholen sich auch Angebote von euch Pädagog*innen, damit sie einer breiten Anzahl Kindern zugänglich gemacht werden können.
  7. Auch das Thema Inklusion findet seinen Platz, denn hier erhalten die Kinder bestenfalls von euch Hilfe in Lern-Krisen. Sie werden motiviert, neue Strategien zu entwickeln und Fehler-machen-dürfen als hilfreich zu sehen. Ein Gespräch zum Ende des Besuches ermöglicht die Erstellung eines neuen IST-Standes: Was hast du heute geschafft? An was wirst du an einem anderen Tag weiter arbeiten? So ergibt sich die Motivation, weiter an dem Thema zu arbeiten oder etwas anderes zu beginnen.
  8. Materialien können auch themenübergreifend genutzt werden. Das schafft Erfahrungen. Kinder erhalten so den Denkanreiz, dass es Verbindungen unter diversen Themen geben kann. So kann es auch mal sein, dass Kinder zusammenarbeiten und ihre Erfahrungen untereinander austauschen. Sie teilen ihr Wissen und erweitern ihre Kompetenzen.
  9. Ein/e Pädagog*in fühlt sich verantwortlich für den Raum. Fehlendes Material kann so regelmäßig und themenbezogen nachbestellt und organisiert werden. Nicht Benötigtes kann auch schon mal entfernt werden. Eine regelmäßige Aktualisierung der Inhalte ist also notwendig.

 

Kinder entdecken in der Werkstatt selbstständig neue Dinge, verknüpfen Ideen und Möglichkeiten miteinander. Sie erleben ihre Selbsttätigkeit und sammeln eigene Erfahrungen mit Materialien und zu Themen.

Die Ausgestaltung der Lernwerkstatt ist abhängig vom Budget eures Kindergartens. Allerdings lassen sich auch viele Materialien organisieren, für die nichts bzw. kaum etwas bezahlt werden muss. So findet sich vielleicht auf dem Boden einer Oma eine alte mechanische Schreibmaschine, bei der die einzelnen Buchstaben noch zu erkennen sind. Manchmal haben auch Malerfirmen im Ort noch Farben übrig und sponsern diese gerne an den Kindergarten. Daher können bei der Ausgestaltung auch die Kinder mit helfen, indem sie mit euch zusammen organisieren können. Wichtig ist es aber, dass ihr mit euren Kindern gemeinsam die Raumaufteilung gestaltet. Besonders viel Spaß haben sie meiner Meinung nach, wenn sie mitbestimmen können. Wohin kommen die Bücher und wohin das Werkzeug? Schon bei diesen Überlegungen können sie viel lernen. Lernen, dass schweres Werkzeug nicht sehr weit oben liegen darf wegen der Unfallgefahr. Und ihr Erwachsenen erhaltet einmal mehr die Sicht von den Kindern: z. B. dass Bücher in deren Reichweite – also weiter unten – liegen sollten.

 

Und so entstehen wie von selbst verschiedene Themenbereiche, wie:

 

  • Wasser
  • Luft
  • Schwerkraft
  • Astronomie
  • Kunst
  • Malen
  • Schreibwerkstatt
  • Vielleicht auch ein Ort für eine Ausstellung (z. B. für jahreszeitliche Ideen wie Ostern, Weihnachten oder den Herbst)

 

Für welche Altersgruppen?

 

Das Angebot der Lernwerkstatt richtet sich an Kinder ab ca. zwei Jahre bis zum Schuleintritt. Für jedes Alter können Materialien je nach Interesse angeboten werden. Ziel ist es, Lernprozesse durch viele verschiedene Materialien anzuregen und Kinder zum Ausprobieren einzuladen.

  • Besonders ältere Kinder, die bald in die Schule kommen, wollen oft Zusammenhänge aufspüren und die Welt tiefgehender begreifen.

Kinder finden hier zu ihren Ideen das passende Material zur Umsetzung. Sie besitzen ihre kindliche Phantasie und haben nur wenig Erfahrung bei der Umsetzung ihrer Pläne. Sie versuchen, scheitern und versuchen es wieder. So erschließen sie sich selbst Neues und entdecken eine neue Welt für sich. Eigene Interessen und sogar Talente werden aufgespürt. Eine Lernwerkstatt erlaubt auch dies.

  • Für Krippenkinder könnte die Möglichkeit bestehen, Materialien aus der Lernwerkstatt mit in ihren Gruppenraum zu nehmen. In ihrem geschützten Raum sind sie mutiger und aufgeschlossener Neuem gegenüber. Das soll nicht bedeuten, dass eure Krippenkinder die Lernwerkstatt nicht betreten dürfen. Es gibt sicher auch neugierige kleine Leute, die sich in und von ihr inspirieren lassen.

     

Lernwerkstatt nach den Prinzipien von Maria Montessori

 

Dieser Film bietet interessante Einblicke in den Alltag einer Lernwerkstatt in Vorarlberg, Österreich, die nach den Prinzipien Maria Montessoris funktioniert. Du erfährst viel über die pädagogischen Grundsätze der italienischen Ärztin und darüber, wie diese in der praktischen Arbeit mit Kindern im Vor- und Grundschulalter aufgegriffen werden können.

 

Wichtig – die eigene Haltung als Pädagog*in

 

Für euch Pädagog*innen allerdings ist die Lernwerkstatt auch eine große Herausforderung. Da meist immer nur ein/e Erzieher*in den Kindern in der Lernwerkstatt zur Seite steht und dies nicht immer die/ der Gruppenerzieher*in ist, hat diese/r eine besondere zusätzliche Aufgabe. Lern- und Beobachtungsprotokolle können durch die/ den Portfolioschreiber*in nur geschrieben werden, wenn die Kinder in ihrem Tun gut beobachtet wurden.

  • Auch in der Lernwerkstatt werden die Kinder daher von euch beobachtet. Fotos oder Videos zu machen hilft euch bei der nachträglichen Dokumentation.

Ihr dokumentiert die Entwicklungsfortschritte eines Kindes und ermöglicht damit weitere Absprachen im Team. So können für euch Pädagog*innen aus den erfolgten Beobachtungen der Kinder Reflexions- und Fördermöglichkeiten entstehen.

 

Nicht vergessen: Eltern „mitnehmen“ und transparent zu arbeiten

 

Als einen sehr wichtigen Punkt sei hier die Elternarbeit genannt. Wichtige Informationen, was in einer Lernwerkstatt möglich ist, kann von euch an die Eltern als Information in PDF-Form gereicht werden.

  • Optimal ist es, die Beschreibung der Lernwerkstatt in eurer hauseigenen Konzeption zu verankern.

Eltern interessieren sich sehr für Möglichkeiten, die ihre Kinder in der Kita ausschöpfen können. Sie gehen im familiären Umfeld intensiv auf ihre Kinder ein und bringen so Ideen ihrer Kinder mit in die Einrichtung. So wie bei Theo, der seinen Vater als Vorbild hat und ihm beim Bau eines Vogelhäuschens nacheifern möchte. Die Lernwerkstatt ermöglicht es Theo damit, seine Ideen zu verwirklichen. Ob das Vogelhaus wirklich so aussehen wird, wie Papa es gebaut hat, ist dabei nicht relevant. Für Theo gibt es kein falsch. Er sucht sich die Dinge heraus, die er für sich und seine Idee für wichtig hält. Er probiert sich aus und versucht, seine selbst gestellte Aufgabe so gut wie möglich zu lösen. Er erlebt sich als selbstwirksam und schult dabei intuitiv sein eigenes Lernen.

Und genau das sollte eine Lernwerkstatt sein: ein Ort zum spielerischen Lernen!

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