Was bedeutet Inklusion im Kindergarten? Wie lässt sie sich praktisch umsetzen? Wie arbeitet eine inklusive Kita? Nachfolgend findest du Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema „Inklusion im Kindergarten“ – einfach und schnell für dich aufbereitet, damit du alles zu Inklusion, Integration, Teilhabe und Chancengleichheit auf einen Blick hast.
Was ist Inklusion? Definition und Begriffsabgrenzung
Bei der Inklusion (in der Soziologie auch als Teilhabe bezeichnet) hat jedes Kind das Recht,
unabhängig von seinen individuellen Stärken und Schwächen
mit in der Gruppe zu leben und zu lernen.
Die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Einzelnen werden dabei als Bereicherung und Vorteil angesehen. Inklusionskinder sind Kinder mit Beeinträchtigungen, die zusammen mit anderen Kindern ohne Beeinträchtigung eine Einrichtung besuchen.
Inklusion ist dabei ein gemeinsames Leitbild, das in einer Einrichtung verankert sein sollte. Barrieren innerhalb der Gemeinschaft werden kontinuierlich abgebaut, während der Zugang zu allem für alle geöffnet wird. Dazu ist es notwendig dass im besten Fall alle Gemeinschaftsmitglieder zusammen – also Team, Kinder und Eltern – vorhandene Barrieren identifizieren und Lösungen finden, diese zu beseitigen.
Die Rahmenbedingungen der Gruppe werden so angepasst, dass sich alle in der Gemeinschaft wohlfühlen und ihren eigenen Bedürfnissen nach optimal gefördert werden können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Inklusion ist die Haltung jedes Gemeinschaftsmitglieds, inklusiv arbeiten zu wollen und ein wertschätzender Umgang untereinander (vgl. Dupius 2011):
- Mitmachen können und Partizipation leben dürfen
- Achtung vor einander und deren Tun haben als Wertschätzung für die Individualität eines jeden
- Unterschiede können auch Chancen bieten, denn jeder kann etwas gut
- Jeder hat das Recht auf gute Bildung, Erziehung und Betreuung
- Barrieren abbauen wollen bedeutet zu hinterfragen: Welche Probleme müssen gelöst werden, damit alle mitmachen können?
- Wir bauen gemeinschaftliche Wertvorstellungen auf, die nachhaltig für alle gelten und wirken (Kinder, Pädagog*innen, Eltern). Diese müssen immer wieder an neue Situationen und Personen angeglichen werden können.
- Unsere eigene Haltung bestimmt, wie professionell inklusiv wir selbst arbeiten.
Wir alle müssen also verstehen, dass Inklusion unsere gesamte Gesellschaft betrifft und nicht nur ein Teil einer kleinen Gemeinschaft. In der integrativen Bildung und Erziehung wurden bisher Kinder mit Beeinträchtigungen in die Gemeinschaft (Schule oder Kita) lediglich nur einbezogen. In der integrativen Pädagogik wird mit der Inklusion versucht, neue Wege zu gehen.
Inklusion bedeutet, dass eine Gruppe nicht nach Neigungen und Fähigkeiten unterteilt wird. Dementsprechend werden Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen mit dem inklusiven Ansatz in den Kindertageseinrichtungen gemeinsam betreut. Neben den Erzieherinnen und Erziehern fördern oftmals auch spezialisierte Mitarbeiter/-innen im multiprofessionellen Team jedes der Kinder bestmöglich und allseitig.
Die UN-Behindertenrechtskonvention, die im Jahre 2009 in Deutschland in Kraft trat, konkretisierte dieses Recht, indem sie Vielfalt als wertvoll und Inklusion als selbstverständliches Gut einer Gesellschaft manifestierte.
Ein Kind mit einer Beeinträchtigung hat demnach ein Recht auf eine ortsnahe Betreuung, wenn die strukturellen, personellen und logistischen Voraussetzungen geschaffen werden können.
So wird Inklusion im Kindergarten umgesetzt
Je nach Bundesland gibt es verschiedene Möglichkeiten auch in Regeleinrichtungen inklusiv zu arbeiten. Werden mehrere Kinder mit einer bekannten Beeinträchtigung in einer Gruppe betreut, so verbessert sich der Betreuungsschlüssel und die maximale Anzahl der Kinder beträgt nur noch 15 Kinder.
Weitere förderliche Faktoren sind:
- die Bildung multiprofessioneller Teams
- die Möglichkeit für das gesamte Team sich regelmäßig zu verschiedenen Aspekten der Inklusion fortzubilden, Fachberatungen in Anspruch zu nehmen, an einer Supervision teilzunehmen,
- notwendige strukturelle Voraussetzungen seitens des Trägers und des Jugendamtes zu schaffen, wie zum Beispiel barrierefreie, ebenerdige Räume,
- Integrationshelfer*innen einzustellen, wenn beispielsweise sozial-emotionale Auffälligkeiten bei einzelnen Kindern festgestellt werden, die eine Regelgruppe besuchen
- das pädagogische Konzept dahingehend zu überarbeiten, dass Inklusion einerseits als wichtiger Bestandteil aufgeführt wird, andererseits aber erkennbar ist, dass Inklusion zum Kita-Alltag wie zum Leben außerhalb gehört und eben nichts Exklusives bzw. Besonderes ist
Inklusive Pädagogik: Haltung pädagogischer Fachkräfte
Folgende Fragen solltest du regelmäßig analysieren und reflektieren (vgl. nifbe 2019):
- Welche Unterstützung benötigt jedes einzelne Kind, um sich optimal weiterentwickeln zu können?
- Wo sehen wir eventuell beim Kind Förderbedarf bzw. Stagnierung in seiner Entwicklung?
- Sehe ich das Kind mit all seinen Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten? Wie sehen es die Anderen? Haben wir immer einen positiven Blick auf die Fähigkeiten und Stärken des Kindes?
- Nutze ich eine wertschätzende Kommunikation für den Beziehungsaufbau zu den Kindern? Nur durch Anerkennung kann ich ein Kind wirklich erreichen!
Anerkannt zu sein ist für die seelische Gesundheit von Kindern besonders bedeutend. Wertschätzung von außen als auch die kindliche Wertschätzung untereinander stärkt somit die eigene Persönlichkeit und schafft die Grundlage für Mut für Neues.
Auch das kindliche Spiel hat im Kontext der Inklusion eine wesentliche Bedeutung. Denn: Kinder lernen im Spiel sehr viel und setzen sich so mit ihrer Umwelt auseinander. Dabei erwerben sie spielend neues Wissen (Wie funktioniert meine Welt?) und entwickeln ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen. Sie nehmen soziale Kontakte zu anderen Kindern und Erwachsenen auf (vgl. Juul 2003). Anders zu sein stört sie dabei nicht. Auch Kinder mit Trisomie 21 suchen Wege, wie sie mit ihrem Wissen und ihrem Können ihre Ziele erreichen können.
Welche Kinder sind Inklusionskinder?
Zunächst einmal scheint es nicht wünschenswert zu sein, dass einzelne Kinder offiziell den Stempel „Inklusionskind“ bekommen – Stigmatisierungen sollen schließlich vermieden werden. Allerdings haben diese Kinder einen besonderen Förderbedarf, sie brauchen Therapien und manchmal auch mehr Unterstützung im Kita-Alltag.
Wie aber verhält es sich daher in der Praxis mit Kindern, die zum Beispiel ein Down-Syndrom haben oder ein so großes Maß an Aggression zeigen, dass sie andere Kinder gefährden? Können oder müssen diese in einer Regeleinrichtung aufgenommen werden? Welche Ressourcen stehen den Einrichtungen zur Verfügung um diese Aufgabe zu bewältigen? Förderbedarf für Kinder mit Beeinträchtigungen
Um den Förderbedarf eines Kindes feststellen zu können, hält die Kita spezielle Anträge bereit, die gemeinsam mit den Eltern ausgefüllt und beim Jugendamt eingereicht werden müssen. Hier ist ein hohes Maß an Empathie und Geduld gefragt, um zu den Eltern ein Vertrauensverhältnis aufzubauen
Unter Berücksichtigung ärztlicher und therapeutischer Gutachten entscheidet das zuständige Jugendamt dann über den besonderen Förderbedarf des einzelnen Kindes. Je nach Grad des Förderbedarfs kann die Kita dann beispielsweise zusätzliche Fachkraftstunden beantragen.
Folgende Förderschwerpunkte werden „I-Kindern“ zugeordnet:
- Förderschwerpunk „Lernen“,
- Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“.
- Förderschwerpunkt „Sozial-emotionale Entwicklung“,
- Förderschwerpunkt „Sprache“,
- Förderschwerpunkt „Körperliche und motorische Entwicklung“,
- Förderschwerpunkt „Hören“,
- Förderschwerpunkt „Sehen“,
Darüber hinaus wird der Schweregrad des I-Status ermittelt:
- Erhöhter Förderbedarf (I-Status A):
Diesen Status erhalten Kinder mit diagnostizierten geistigen Entwicklungsstörungen wie ADHS oder Autismus. Ihnen stehen je nach Einzelfall 15 bis 20 zusätzliche Fachkraftstunden zu, wenn sie sie eine Kita besuchen
- Wesentlich erhöhter Förderbedarf (I-Status B):
Diesen Status erhalten Kinder mit einer mehrfachen und/oder besonderes schweren Behinderung. Kinder mit I-Status B haben Anspruch auf eine ganztägige Betreuung und Förderung durch ausgebildete Fachkräfte.
Wie arbeitet eine Kita inklusiv? Ein Fallbeispiel
Im Kindergarten beschäftigt sich eine Kindergruppe im Atelier mit Knete in verschiedenen Farben. Mit dabei ist auch Lena (5,2), die eine starke Sehbeeinträchtigung hat und daher seit ihrem ersten Lebensjahr eine Brille trägt. Die pädagogische Fachkraft beobacht Lena und sieht sie traurig am Tisch sitzend mit ihrer Knete auf der Knetunterlage hantieren. Sie knetet mit schwarzer Knete einige Bälle. Die Erzieherin macht sich Gedanken, warum das Mädchen gerade die Farbe Schwarz gewählt hat - ihre Traurigkeit unterstützt den Verdacht, dass Lena ein Problem haben muss. Vielleicht erkennt sie immer weniger durch ihre schlechten Augen.
Am Nachmittag sitzt die Erzieherin bei Lena und zeigen ihr wertschätzend noch einmal ihre Knetbälle. Sie freut sich über das Interesse. Auf die Frage aber, wieso sie diese Farbe gewählt hat, antwortet Lena: „Ich war zu langsam und da war nur noch das Schwarz übrig. Ich war ganz schön traurig, denn eigentlich sollten meine Bälle doch bunt werden wie die von Mailo.“
Das Fallbeispiel zeigt, dass in jeder Kita, Krippe oder OGS bereits inklusiv gearbeitet wird, denn Kinder wie Lena kennst du sicher auch. Jedes Kind hat individuelle Stärken und Schwächen, Kinder mit körperlichen Einschränkungen, Entwicklungsverzögerungen oder sozial-emotionalen Problemen finden sich in jeder Kita-Gruppe. Letztendlich muss jedes Kind seinen Platz innerhalb der Kindergruppe haben dürfen, egal ob hochbegabt, mit Migrationshintergrund oder kognitiv beeinträchtigt. Aufgabe des pädagogischen Personal ist es, jedes Kind darin zu unterstützen sein Potenzial zu entdecken und, in enger Zusammenarbeit mit den Eltern, Entwicklungsprozesse anzuregen. Das ist ein hoher Anspruch, dem das pädagogische Fachpersonal gerecht werden muss.
Was braucht also die kleine Lena in unserem Fallbeispiel am Anfang von uns Pädagogen und Pädagoginnen, damit sie bestmöglich gefördert werden kann und Inklusion in der Einrichtung wirklich funktioniert?
- Sie benötigt eine stabile Beziehung zu den Erziehern und Erzieherinnen, damit sie vertrauensvoll ihre Welt erleben kann.
- Sie mag gesehen werden und braucht die Wertschätzung ihres Tuns.
- Sie möchte Dinge tun, die andere auch machen. Sie möchte keine Grenzen erfahren, nur weil sie vielleicht eine Brille trägt.
- Sie will Teil der Gruppe sein und mitbestimmen dürfen, auch wenn sie dazu manchmal Hilfe und Unterstützung braucht.
- Sie wünscht sich, mit und von den Anderen lernen zu dürfen und gestärkt aus Situationen heraus gehen zu können.
Zuletzt noch zwei Tipps zum Weiterlesen:
Literatur:
Albers, Timm (2011): Mittendrin statt nur dabei. Inklusion in Krippe und Kindergarten. München.
Burtscher, Irmgard Maria (2000): Mehr Spielraum für Bildung. Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen der Zukunft. München.
GEW (2016): Index für Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Gemeinsam leben, spielen und lernen. Handreichung für die Praxis. Frankfurt a. Main. 4. Auflage.
Hocke, Norbert; Dilk, Anja; Dupuis, André (2011): Auf dem Weg zu einer inklusiven Kindertagesstätte. Berichte aus und für die pädagogische Praxis. Frankfurt am Main.
Juul, Jesper (2003): Das kompetente Kind. Hamburg.
Kazemi-Veisari; Erika (2015): Kinder verstehen lernen. Wie Beobachtung zu Achtung führt. Seelze. 4. Auflage.
Montag Stiftung (2015): Inklusion vor Ort. Der kommunale Index für Inklusion – ein Praxisbuch. Berlin.
Nifbe (2019): Inklusive Haltung und Beziehungsgestaltung. Kompetenter Umgang mit Vielfalt in der Kita. Freiburg im Breisgau.
Bild: shutterstock_2127464132