Wenn du eine Kita betrittst, spürst du sofort, welche Haltung dort gelebt wird. Räume erzählen Geschichten – über Kinder, die dort spielen, über Erwachsene, die sie begleiten, und über das pädagogische Verständnis, das alles miteinander verbindet. Eine gut durchdachte Raumgestaltung kann Sicherheit, Geborgenheit und Neugier zugleich vermitteln. Sie lädt Kinder dazu ein, selbst aktiv zu werden, Dinge zu erforschen, Grenzen auszuprobieren und Beziehungen zu gestalten.
Pädagogische Raumgestaltung bedeutet also weit mehr, als Möbel zu arrangieren oder Wände zu streichen. Sie ist Ausdruck dessen, wie eine Einrichtung Bildung versteht – und wie ernst sie Kinder in ihrem Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Bewegung und Ästhetik nimmt.
Inhalt
- Das Wichtigste in Kürze:
- Was ist ein pädagogisches Raumkonzept?
- Welche Auswirkungen haben Räume und Ausstattung auf Kinder?
- Was ist bei der Raumgestaltung in der Kita zu beachten?
- Mehr Holz- weniger Plastik- nachhaltige Materialauswahl in Kita-Räumen
- Partizipation in der Raumgestaltung – gemeinsam Bildungsräume schaffen
- „Forscherraum“ oder „Atelier“ – welche Räume braucht eine Kita wirklich?
- Fazit: Gemeinsam flexibel bleiben – Räume kreativ denken
- FAQ – Häufige Fragen zur pädagogischen Raumgestaltung
Das Wichtigste in Kürze:
- Räume wirken als „dritter Erzieher“ – sie prägen Lernen, Verhalten und Wohlbefinden.
- Ein pädagogisches Raumkonzept richtet sich nach den Bedürfnissen der Kinder, nicht nach Möbeltrends.
- Kinder sollten aktiv an der Gestaltung ihrer Umgebung beteiligt werden.
- Weniger Material, mehr Freiraum: Das schafft Platz für Kreativität und Selbstbildung.
- Flexible Räume wachsen mit den Kindern – nicht umgekehrt.
Was ist ein pädagogisches Raumkonzept?
Ein pädagogisches Raumkonzept beschreibt, wie Räume in einer Kita oder Krippe gestaltet und genutzt werden, um die pädagogischen Ziele der Einrichtung zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur um Möbel oder Farben, sondern um die pädagogische Haltung, die sich in der Raumgestaltung widerspiegelt.
Ein solches Konzept dient als Leitfaden für die ganzheitliche Gestaltung von Bildungsräumen, welche Entwicklung, Wohlbefinden und Selbstständigkeit fördern. Es unterscheidet sich von Einrichtung zu Einrichtung, da ein Raumkonzept immer auch Teil der pädagogischen Gesamtkonzeption ist.
Der Gedanke „Der Raum ist der dritte Erzieher“ aus der Reggio-Pädagogik bringt es auf den Punkt: Kinder lernen in, mit und durch Räume.
Zum Weiterlesen: Wiebe, Valentina (2011): Grundlagen der Raumgestaltung für Kinder in den ersten drei Lebensjahren. Verfügbar unter: www.kita-fachtexte.de
Welche Auswirkungen haben Räume und Ausstattung auf Kinder?
Räume sprechen – auch ohne Worte. Ihre Gestaltung beeinflusst, wie Kinder sich bewegen, spielen, lernen und fühlen im Hinblick auf:
- Selbstbildungsprozesse
Kinder wollen eigenständig entdecken. Wenn Materialien auf Kinderhöhe stehen, können sie selbst wählen und handeln. So lernen sie, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. - Kognitive Entwicklung
Vielseitige Räume regen zum Forschen, Ausprobieren und Denken an. Bewegliche Elemente wie Bausteine oder Kissen fördern Kreativität und Problemlösungsfähigkeit. - Emotionale Entwicklung
Helle, freundliche Räume mit warmen Farben und gemütlichen Ecken vermitteln Geborgenheit. Besonders in der Eingewöhnungszeit sorgt das für Sicherheit und Vertrauen. - Soziale Entwicklung
Offene Spielbereiche laden zum Miteinander ein, Rückzugsorte schaffen Ruhe. So können Kinder ihre individuellen Bedürfnisse besser selbst regulieren. - Motorische Entwicklung
Bewegung ist Bildung. Materialien zum Klettern, Balancieren oder Konstruieren fördern grob- und feinmotorische Fähigkeiten. - Themenbezogene Bildungsbereiche
In Funktionsräumen können Kinder ganz unterschiedliche, individuelle Lernerfahrungen machen – eine Forscherecke für Naturwissenschaften oder ein Atelier zum kreativen Gestalten regen Selbstbildungsprozesse an.
Was ist bei der Raumgestaltung in der Kita zu beachten?
Die Gestaltung von Kita-Räumen sollte bewusst geplant und regelmäßig überprüft werden. Dabei spielen sowohl pädagogische Konzepte als auch praktische Bedingungen eine Rolle:
- Pädagogisches Konzept: Orientierung an Reggio, Montessori oder offenem Ansatz.
- Bedürfnisse der Kinder: Bewegung, Ruhe, Kreativität und Rückzug müssen gleichermaßen möglich sein.
- Sicherheit: Keine scharfen Kanten, giftfreie Materialien, stabile Möbel.
- Flexibilität: Möbel sollten leicht verstellbar und Räume vielseitig nutzbar sein.
- Kinderperspektive: Alles sollte auf Augenhöhe der Kinder sichtbar und erreichbar sein.
- Akustik & Licht: Stoffe und Teppiche dämpfen Geräusche; warmes Licht wirkt harmonisch.
- Rückzugsmöglichkeiten: Kleine Ecken, Höhlen oder Baldachine schaffen Geborgenheit.
- Partizipation: Kinder dürfen mitbestimmen – z. B. durch Kinderkonferenzen.
- Regelmäßige Reflexion: Räume verändern sich mit den Bedürfnissen der Kinder. Jüngere Kinder haben andere Bedürfnisse als ältere, neurodivergente Kinder und solche mit Behinderungen brauchen andere sensorische Reize als neurotypische Kinder ohne Beeinträchtigungen.
Gerade in älteren Gebäuden mit kleineren Gruppenräumen schaffen mehrere Ebenen – etwa Podeste oder kleine Treppen – neue Bewegungs- und Beobachtungsmöglichkeiten und damit zusätzliche Lernanreize.
Mehr Holz- weniger Plastik- nachhaltige Materialauswahl in Kita-Räumen
Die Wahl der Materialien prägt maßgeblich die Atmosphäre eines Raumes – und damit auch, wie Kinder sich darin fühlen und verhalten. Ein schönes Beispiel dafür ist der Innenausbau mit getrockneten und gereinigten Birkenstämmen: Er bringt Natur in den Raum und schafft eine warme, einladende Atmosphäre. Auch Kork, Filz oder Baumwolle tragen dazu bei, dass Kinder sich geborgen fühlen.
Im Gegensatz dazu können grellbunte Kunststoffmöbel oder überladenes Spielzeug schnell zu visueller Unruhe führen. Eine Reizüberflutung erschwert Konzentration und Entspannung – zwei Voraussetzungen für selbstbestimmtes Lernen. Eine reduzierte, harmonische Farbgestaltung unterstützt Kinder dabei, sich zu orientieren, eigene Spielideen zu entwickeln und zur Ruhe zu kommen.
Weniger, aber hochwertiger – das gilt auch für die Materialauswahl. Nachhaltige, langlebige Möbel und bewusst ausgewähltes Spielmaterial fördern nicht nur die Umweltbildung, sondern spiegeln auch Wertschätzung gegenüber den Kindern wider.

Partizipation in der Raumgestaltung – gemeinsam Bildungsräume schaffen
Früher wurden Kita-Räume oft jahrelang unverändert gelassen. Heute weiß man: Kinder müssen ihre Räume mitgestalten dürfen.
Ein Beispiel: Lio, Sophie und Anton (1,8 bis 2,3 Jahre) besuchen eine Kinderkrippe. Das Spielmaterial interessiert sie gerade nicht – also beginnen sie einen Zug aus Stühlen zu bauen. Die Fachkraft beobachtet, dass weniger Material zu mehr Bewegung und Kreativität führt.
Gemeinsam mit den Kindern werden einige klassische Spielsachen weggeräumt, stattdessen zusätzliche Stühle sowie Decken und einige Bretter in den Raum geholt. Einige Eltern empfinden den Raum zunächst als zu leer, doch bald erkennen sie, dass die freie Fläche ihre Kinder dazu anregt selbst kreativ zu werden.
Erkenntnis: Kinder nutzen Räume anders als Erwachsene – und genau darin liegt ihr Bildungspotenzial.
Wichtig: Kinder sollten bei der Raumgestaltung mitreden dürfen. Räume müssen sich verändern dürfen. Weniger Material schafft mehr Platz für eigene Ideen – und Fachkräfte sollten zulassen, dass Kinder den Raum zweckentfremden.
„Forscherraum“ oder „Atelier“ – welche Räume braucht eine Kita wirklich?
Nicht jede Kita braucht alle Funktionsräume, aber jede Kita braucht Räume, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientieren.
Grundlegende Raumtypen
- Wasch-, Toiletten- und Wickelräume
- Bewegungsräume mit ausreichend Platz zum Toben
- Rückzugsräume zum Ruhen oder Kuscheln
- Kreativräume (Atelier, Werkstatt, Forscherraum)
- Eingangs- und Elternbereiche, die willkommen heißen
Wichtige Grundbedürfnisse im Kita-Alltag
- Bewegung und Erkundung
- Rückzug und Ruhe
- Rollenspiel und Fantasie
- Forschen und Entdecken
- Bauen und Konstruieren
- Soziales Miteinander
- Rituale, Kultur und Jahresrhythmen
Vgl. Dr. Gabriele Haug-Schnabel (2016): Raumgestaltung als verantwortungsvolle Aufgabe. Verfügbar unter: www.nifbe.de
Fazit: Gemeinsam flexibel bleiben – Räume kreativ denken
Kitas sind lebendige Orte, die sich mit den Kindern weiterentwickeln. Wenn Fachkräfte offen bleiben, Veränderungen zulassen und Kinder aktiv beteiligen, entstehen Bildungsräume, die wachsen – mit jedem Tag, jedem Spiel, jeder Idee.
Den perfekten Raum gibt es nicht. Aber es gibt unzählige Möglichkeiten, ihn gemeinsam immer wieder neu zu gestalten.
FAQ – Häufige Fragen zur pädagogischen Raumgestaltung
- Wie oft sollte das Raumkonzept überprüft werden?
Mindestens einmal im Jahr – am besten zu Beginn des Kita-Jahres.
- Wie können Kinder Räume konkret mitgestalten?
Durch Kinderkonferenzen, kleine Umfragen oder gemeinsame Bastelaktionen für neue Ecken.
- Was tun, wenn wenig Platz vorhanden ist?
Räume doppelt nutzen, z. B. Flur als Bewegungszone oder Elternecke. Auch mehrstöckige Spielpodeste helfen.
Wie kann Partizipation im Alltag aussehen?Kinder dürfen mitbestimmen, welche Materialien bleiben, pausieren oder neu angeschafft werden, welche Spielecken sie sich wünschen oder welche Farben sie mögen.
