Kinder lernen in allen Situationen. Ganz besonders von ihren Vorbildern und die sind, je jünger die Kinder sind, umso stärker die Erwachsenen, die sie umgeben. Jedes Kind achtet darauf, was die Eltern und Erzieher tun. Es erschafft sich so die Wirklichkeit, die es braucht, um selbst in der Welt zurechtzukommen.

Das bedeutet auch, dass Erzieherinnen sich ständig ihrer Vorbildfunktion bewusst sein müssen. Und das eben nicht nur in den bewussten Situationen. Nicht nur in der direkten Arbeit am Kind. Vielmehr gerade dann, wenn man sich eigentlich unbeobachtet fühlt.

Eine Erzieherin, die beispielsweise Süßigkeiten verpöhnt, sich aber immer wieder, vermeintlich heimlich, ein Stückchen Schokolade gönnt, wird Kinder nie von ihren Worten überzeugen können.

Das Gleiche gilt auch für die Vorbildfunktion von Eltern und älteren Geschwistern. Bestimmt hast du schon beobachtet, dass ein jüngeres Kind Gesten seines älteren Geschwisterkindes nachahmt. Kindergartenleitung und Erzieherinnen sollten daher auch den Eltern ihre Vorbildfunktion vor Augen halten. Als hervorragendes Beispiel dient hier immer der Straßenverkehr.

Kinder, die ihre Eltern beim Überqueren der Fahrbahn beobachten oder begleiten, imitieren deren Verhalten. Kinder deren Eltern bewusst auf den Verkehr achten, werden das auch selbst mit größerer Selbstverständlichkeit tun.

Es ist also viel besser, Kindern nur das zu vermitteln, hinter dem man selbst voll und ganz steht.

 

Im Alltag bieten sich unzählige Möglichkeiten, Kinder einzubeziehen und sie dadurch spielerisch und ohne erhobenen Zeigefinger lernen zu lassen. Die Kinder merken dabei oft gar nicht, dass sie sich etwas Neues aneignen und wenn sie es erst geschafft haben, sind sie mächtig stolz. Dabei reicht schon ein kleiner Hinweis durch die Erzieherin: "Hast du bemerkt, dass du eben ganz alleine die Kanne gefüllt hast?"

Mache das Alltägliche zum Besonderen, indem Du die Kinder in alle anfallenden Tätigkeiten einbeziehst. Erschaffe keine künstlichen Lernfelder, sondern nutze die Ressourcen des täglichen Lebens.

 

 

 

 

2.1. Wo liegen die Chancen des Alltagslernens?

 

Die Chancen für das Lernen im Alltag sind so vielfältig wie abwechslungsreich. Es bieten sich alle Formen des Lernens an. Einerseits ist der Alltag nicht immer vorhersehbar. Andererseits ist der Alltag voll von Möglichkeiten.

Kinder lernen in allen Situationen, beim Spielen und Basteln, beim Backen und Werken, beim Wandern und Toben, ...

Bereits bei der Ankunft in der Kita können die Kinder im lebenspraktischen Bereich gefördert werden. Sicherlich geht es zu Anfang schneller, wenn die Eltern oder Erzieherinnen einem Kind beim An- und Ausziehen helfen bzw. das An- und Ausziehen selbst erledigen. Kinder, denen die Zeit gegeben wird, es selbst zu tun, werden viel schneller damit zurechtkommen. Dadurch wächst nicht nur das Selbstverständnis in diesem Bereich. Die Kinder entwickeln durch das eigenständige Tun auch Selbstvertrauen.

Es spricht nichts dagegen, dass die Kinder ihre Jacke und die Schuhe selbst ausziehen und nicht den Eltern die Füße hinstrecken. Sobald die Kinder sich an ihre Aufgabe gewöhnt haben, werden sie dabei immer sicherer und selbstbewusster und bald schon brauchen sie hierfür keine Hilfe mehr. Kinder, hingegen, denen solche Aufgaben abgenommen werden, schaffen es oft noch nicht einmal beim Übertritt in die Grundschule, sich selbst an- und auszuziehen. Das bringt dann Frust und Unsicherheit, anstatt Selbstvertrauen.

 

Die Freispielzeit wird von Außenstehenden immer unterschätzt. Oft ist es nicht einmal den Fachkräften selbst bewusst, wie groß die Lernchancen in diesem Bereich sind. Das Lernen beginnt hierbei schon damit, dass Kinder selbst entscheiden, was sie tun wollen. Dabei achten sie einerseits auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, andererseits müssen sie sich auch an bestehenden Regeln orientieren.

Zudem orientieren die Kinder sich aber auch immer an dem, was ihre Freunde tun. Somit bietet alleine das Freispiel im sozial-emotionalen Bereich eine Fülle von Lernmöglichkeiten. Kinder müssen sich in der Gruppe einordnen und Mut haben, zu fragen. Sie müssen mit Enttäuschungen umgehen oder andere Lösungswege suchen. Sie müssen Regeln einhalten und Vorgaben beachten.

 

Tipp: Beobachte die Kinder während der Freispielzeit. Nimm dir jeden Tag ein anderes Kind vor, dem du gezielt folgst. Stelle dir dazu folgende Fragen:

- Wie oft wechselt das Kind seinen Platz?

- Führt es angefangenes zu Ende oder bricht es vorher ab? Schreiben Sie sich detailliert auf, welche Arbeiten das Kind zu Ende führt und welche es abbricht.

- Mit welchen Kindern spielt das Kind wo?

- Orientiert sich das Kind an anderen?

- Wie äußert sich das Kind? Spricht es mit den anderen? Sucht es den Blickkontakt?

- Was passiert in Frustsituationen? Bei Konflikten?

- Was versucht das Kind? Wovor schreckt es zurück?

 

Manchmal lassen sich nicht alle Fragen an einem Tag klären. Aber du kannst den Fragenkatalog immer wieder hervorholen und deine Dokumentationen fortführen.

 

 

2.2. Gezielt fördern und fordern

 

Alltagslernen bedeutet nicht, dass Erzieherinnen sich gemütlich zurücklehnen und die Kinder sich selbst überlassen. Vielmehr kommt ihnen hier die Rolle der Beobachterin zu. Es ist wichtig, die vorhandenen Angebote für die Kinder ständig zu reflektieren. Der Austausch mit Kollegen ist dabei immens wichtig. Durch unterschiedliche Wahrnehmungen kann ein Team die Stärken und Schwächen der Angebote durchleuchten und sich so immer weiter verbessern.

 

 

2.2.1. Kognitives Lernen im Alltag

 

Farbenlehre ist beispielsweise mehr als die Abfrage von Farbstiften. Biete stattdessen gezielte Fragen, die den Kindern die gleichen Möglichkeiten bieten. Besonders Kinder, die Schwierigkeiten haben, Farben zu erkennen und zu benennen, reagieren genervt, wenn sie ein Farblernspiel mitmachen sollen.

Ganz unbewusst lernen die Kinder, wenn du sie nach der roten Decke fragst, du die grüne Kiste holen lässt, die gelbe Tasse brauchst. Selbst wenn du "nur" erwähnst, wie schön die weiße Blume blüht, dass der grüne Eimer voll ist, usw. förderst du das Farbverständnis der Kinder um dich herum.

Sollten die Kinder nicht auf Anhieb die richtige Farbe erkennen, fühlen sie sich in einer solchen Situation nicht so bloßgestellt, als wenn sie beim Spiel immer wieder nach den falschen Spielsteinen greifen.

 

Genauso einzuschätzen ist das Zählen lernen, das auch im Alltag funktioniert. Bitte ein Kind,dir drei grüne Stifte zu holen, zwei Stühle aufzustellen, vier Äpfel wegzubringen. Du wirst sehen, mit wie viel Freude die Kinder zählen, auch das wieder unbewusst. Und wenn es dann richtig ist und du das Kind lobst, wirst du die Freude in den Augen sofort sehen.

 

 

2.2.2. Sozial-emotionales Lernen im Alltag

 

Alle Situationen, in denen Kinder von anderen Menschen umgeben sind, tragen zum sozial-emotionalen Lernen bei. Das Leben in der Familie bietet bereits soziale Lernfelder. Indem sie sich in der Kindergruppe zurechtfinden müssen, kommt ein besonders wichtiger Faktor hinzu. Kinder müssen sich mit vielen Gleichaltrigen auseinandersetzen und mit unterschiedlichen Charakteren zurechtkommen. Dabei wird es immer wieder passieren, dass sie sich selbst zurücknehmen müssen. In anderen Situationen ist es wichtig, mutig zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen.

Gerade in diesem Bereich, der sich nur schwer "greifen" lässt, müssen gezielte Beobachtungen Aufschluss darüber geben, wie das Kind sich in der Gruppe zurechtfindet, welche Stellung es einnimmt und wie es ihm dabei geht.

 

 

 

 

2.2.3. Lebenspraktisches Lernen im Alltag

 

Selbständigkeit im lebenspraktischen Bereich fördert das Selbstvertrauen von Kindern. Es ist ein gutes Gefühl, Dinge selbst erledigen zu können. Kinder reagieren stolz, wenn sie sich alleine anziehen oder ihre Jacke schließen können.

Den Toilettengang eigenständig zu schaffen, bietet ein weiteres Maß an Freiheit für die Kinder und gibt ihnen Sicherheit in ihrem Tun. Auch die vermeintlichen Kleinigkeiten, wie mit Messer und Gabel zu essen, die Hände richtig zu waschen, Geschirr zu spülen, usw. sind Lernfelder, die den Kindern viele Kompetenzen abverlangen.

 

 

2.2.4 Schulung der Motorik

 

Beim Malen und Basteln wird Feinmotorik ebenso geschult, wie beim Bauen in der Bauecke oder beim Puzzeln. Versuche daher nicht, Kinder in die Kreativecke zu zwingen. Mit Widerwillen erlerntes bleibt ohnehin nicht haften. Nutze stattdessen die Ressourcen, die das Kind hat und gerne einsetzt. Führe Kinder, deren Feinmotorik geschult werden muss, spielerisch zum Ziel.

 

Grobmotorische Fähigkeiten können Kinder durch gezielte Förderangebote lernen, aber in ihrem direkten Umfeld bieten sich unzählige Chancen, dies auch spielerisch zu tun. Wichtig ist, dass die Kinder das Vertrauen ihrer Bezugspersonen spüren. Lass' ein Kind auf der Mauer balancieren, auf einen Findling klettern, von einer Treppenstufe hüpfen (sofern das Kind sich das zutraut! - hier solltest du auf keinen Fall etwas erzwingen, denn Kinder sind meist selbst in der Lage, ihr Können richtig einzuschätzen. Wichtig ist, dass du dem Kind vertraust, eventuell Hilfestellung anbietest und KEINE ANGST erzeugst).

 

Tipp:

In allen Bereichen ist es von Nöten, dass die Kinder sich auf die Unterstützung der Erzieherinnen verlassen können. Aus der Sicherheit heraus, gehen Menschen viel mutiger an neue Aufgaben heran.

Achte daher immer auf die Wünsche der Kinder, gib ihnen Hilfestellung, wo es notwendig ist und ziehe dich rechtzeitig zurück, wenn die Kinder es auch alleine schaffen können.

 

 

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