Um zunächst zu verstehen, was eine „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ ausmacht und warum Experten den Begriff „Elternarbeit“ heute nicht mehr gerne gebrauchen, kann dieses Beispiel nützlich sein:

 

Erik ist fast vier Jahre alt und besucht die Kita „Sonnenschein“ schon mehr als ein Jahr. Er ist ein fröhlicher Junge und kann sich gut durchsetzen. Nur im motorischen Bereich zeigt er einige Auffälligkeiten.

 

Eriks Erzieherin fällt auf, dass die Mutter den Jungen jeden Morgen vom Parkplatz aus bis vor den Gruppenraum trägt. Daraufhin beschließt sie, der Mutter ins Gewissen zu reden: Erik ist schließlich kein Kleinkind mehr! Er ist groß gewachsen für sein Alter und dementsprechend schwer. Zudem scheint es der Erzieherin angebracht die Mutter darauf hinzuweisen, dass es für Eriks motorische Entwicklung nicht förderlich ist, wenn er ständig getragen wird.

 

Wie wird sich die Mutter wohl fühlen, wenn die Erzieherin ihres Sohnes auf sie zukommt und sie entrüstet bittet, Erik nicht mehr zu tragen? Vermutlich hätte sie das Gefühl bevormundet zu werden oder aber ein schlechtes Gewissen, weil sie den Kleinen so „verzieht.“ Dabei weiß sie sich vielleicht nicht anders zu helfen, weil Erik seit einiger Zeit nicht mehr gerne in die Kita geht seit sein kleiner Bruder geboren wurde. Und die Erzieherin? Deren Verhalten war doch korrekt, schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch eine „gute“ Elternarbeit und -beratung, oder?

 

Unterschied Erziehungspartnerschaft und Elternarbeit – müssen Eltern „bearbeitet“ werden?

 

Jahrelang war der Begriff „Elternarbeit“ weit verbreitet, wenn es aus Sicht der Fachkräfte um die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Kindertageseinrichtung und den Müttern und Vätern der zu betreuenden Kind ging. Erst nach und nach setzte sich die Meinung durch, dass der Begriff einseitig ist und von Seiten der Eltern möglicherweise sogar negativ aufgefasst werden kann. „Elternarbeit“ kann so ausgelegt werden, dass Mütter und Väter im Hinblick auf Erziehungsfragen Nachholbedarf haben und grundsätzlich Beratung und teilweise auch Belehrung von den pädagogischen „Experten“ bräuchten. Natürlich sieht die Elternarbeit in der pädagogischen Praxis in der Regel ganz anders aus, die erwähnten negativen Aspekte spielen dann keine Rolle. Der Begriff sowie zahlreiche Synonyme und ergänzende Erklärungen wie „Elternbildung“, „Elternpädagogik“, „Elternkommunikation“, „Elternpartizipation“, „Elternberatung“ usw. ist schon lange ein fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit in Krippen und Kitas, aber auch der entsprechenden Gesetze in den einzelnen Bundesländern. Mit dem Anspruch nicht nur eine Betreuungseinrichtung zu sein, sondern aktiv Bildungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten, hat sich für Krippen und Kitas die Sichtweise auf die Zusammenarbeit mit Eltern noch einmal geändert. Daher wird heute häufig nicht mehr von der „Elternarbeit“ gesprochen, sondern der Begriff „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ verwendet. So sollen alle Aspekte der Kooperation und Zusammenarbeit mit Eltern, die zum Ziel haben, dass jedes Kind möglichst individuell gefördert und in seiner Entwicklung begleitet werden kann, mit einem positiv besetztem Begriff zusammengefasst werden.

Im „Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Kindertageseinrichtungen bis zur Einschulung“ heißt es beispielsweise dazu:

„Anzustreben ist eine Erziehungspartnerschaft, bei der sich Familie und Kindertageseinrichtung füreinander öffnen, ihre Erziehungsvorstellungen austauschen und zum Wohl der ihnen anvertrauten Kinder kooperieren.“

„Kinder und Eltern begegnen sich als gleichberechtigter Partner in gemeinsamer Verantwortung für das Kind“.

 

Aber:

„Eltern tragen die Hauptverantwortung für die Bildung und Erziehung ihres Kindes“.

(Quelle: Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Kindertageseinrichtungen bis zur Einschulung, 5.,erweiterte Auflage, herausgegeben vom Staatsinstitut für Frühpädagogik München und vom Bayerischen Staatsinstitut für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, S. 426)
 

Erziehungspartnerschaft – gesetzliche Grundlagen

 

Die Zusammenarbeit mit Eltern zum Wohl des zu betreuenden Kindes ist in allen Kita-Gesetzen schriftlich fixiert. Der Begriff „Erziehungspartnerschaft“ selbst hat allerdings in die meisten Gesetzestexte noch keinen Einzug gefunden, er spielt aber in den auf die Gesetze bezogenen Handreichungen für Erzieher sowie in der Fachliteratur eine große Rolle. Nicht alle Kinderbetreuungsgesetze der einzelnen Länder berücksichtigen die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kita in gleichem Maße. Einige Gesetze thematisieren die Rechenschaftspflicht der Einrichtung gegenüber den Eltern im Hinblick auf deren pädagogische Arbeit und auf die individuelle Förderung der einzelnen Kinder, andere hingegen nicht.  Flächendeckend gesetzlich geregelt ist die Elternmitwirkung als Teilbereich der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Für alle Bundesländer gilt: Es muss in jeder Einrichtung einmal im Jahr ein Elternbeirat gewählt werden, welcher die Interessen der Mütter und Väter vertritt und der als Bindeglied zwischen den Eltern und dem Team bzw. dem Träger fungiert. Auffällig ist: Insgesamt ist die gesetzliche Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Kita und Eltern nicht sehr aussagekräftig. Wie oft Elterngespräche stattfinden sollten, inwieweit die Entwicklung des Kindes dokumentiert werden muss oder die Frage nach der Transparenz lässt sich durch die Lektüre der einzelnen Gesetze allein nicht beantworten. Den Kitas werden in diesem Zusammenhang viele Freiheiten zugestanden – das bewahrt sie zwar davor, von Eltern rechtlich für vermeintliche Versäumnisse in der Kooperation belangt zu werden, könnte sich aber auch negativ auf die Qualität der Arbeit einzelner Kitas auswirken.

 

Was beinhaltet eine gelungene Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Kindertageseinrichtungen?

 

Dass eine gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaft viele Facetten hat und sehr unterschiedliche Teilbereiche aufweist, wurde bereits erwähnt. Wie aber kann eine gute „Elternarbeit“ in der Praxis aussehen? Hier die wichtigsten Teilaspekte mit Praxisbeispielen im Überblick:

 

1. Transparenz

Eine nach neuesten pädagogischen Qualitätsstandards arbeitende Einrichtung hat nichts zu verbergen. Sie hat ein Interesse daran, dass alle Eltern die Möglichkeit haben einen Einenblick in die tägliche Arbeit zu erlangen. Möglich gemacht werden könnte das beispielsweise durch - Hospitationen von Eltern,

 

  • den Aushang von Wochenplänen,
  • digital verschickte Newsletter,
  • ein „schwarzes Brett“ im Eingangsbereich,
  • Gruppentagebücher,
  • ausgestellte Werke der Kinder,
  • Tage der offenen Tür,
  • Feste und Feiern,
  • regelmäßige Elternbefragungen,
  • einen Briefkasten für Anregungen Beschwerden usw.,
  • ein umfangreiches, schriftlich ausgearbeitetes Konzept usw. 

 

2. Begegnung und Kommunikation auf Augenhöhe

Erzieher haben eine pädagogische Ausbildung vorzuweisen und bringen im Idealfall noch einige Jahre Berufserfahrung mit. Trotzdem: Eltern sind und bleiben die Experten für ihr Kind und sollten auch so behandelt werden! Eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft kann nur gelingen, wenn sie von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt ist – eine pädagogische Fachkraft hat die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und kann ein Kind nur unter der Berücksichtigung seines in der Einrichtung gezeigten Verhaltens einschätzen. Wichtig in diesem Zusammenhang: Wenn Erzieher zu einem Kind eine stabile und tragfähige Beziehung aufbauen will, so gelingt das nur unter der Voraussetzung, dass auch zu den Eltern ein guter Kontakt besteht. Und der lässt sich nur knüpfen, wenn Fachkräfte emphatisch sind, gut zuhören und nicht suggerieren, sie wüssten per se alles besser.

 

3.Dokumentation der pädagogischen Arbeit

Die individuelle Entwicklung eines Kindes zu fördern und zu begleiten ist die wichtigste Aufgabe einer Krippe oder Kita. Aber: Dieser Entwicklungsprozess muss auch dokumentiert werden. So die Eltern die Möglichkeit einen wichtigen Einblick die pädagogische Arbeit zu erhalten und das Kind erfährt eine Wertschätzung seiner Leistung und seiner Persönlichkeit. Geeignete Methoden für die Dokumentation von Entwicklungs- und Bildungsprozessen können die Arbeit mit Portfolios sein, aber auch Fotos, Videos, diktierte Geschichten, Arbeitsblätter usw. Wichtig ist, dass auch kleine Entwicklungsschritte „gesehen“ und auf welche Art und Weise auch immer festgehalten werden.

 

4.Die Möglichkeit und Bereitschaft zum Austausch

Neben den „Tür- und Angelgesprächen“ sind regelmäßig stattfindende ausführliche Entwicklungsgespräche mit den Eltern wichtig. Grundsätzlich sollten Eltern zusätzlich immer die Möglichkeit haben einen Gesprächstermin zu vereinbaren, wenn aus ihrer Sicht Bedarf besteht.

Die Eltern wünschen sich zudem ebenfalls häufig einen Austausch untereinander. Ein regelmäßig stattfindendes „Eltern-Café“ und/oder ein eigener Bereich für Eltern innerhalb der Einrichtung lädt zum Verweilen und zum Austausch von Informationen ein. Den Müttern und Vätern wird gezeigt: „Du bist hier ebenso willkommen wie dein Kind.“.

 

 5.Informations- und Bildungsangebote für Eltern

Vorträge, Seminare, Trainings und Info-Veranstaltungen über organisatorische und pädagogische Aspekte des Kita-Alltags tragen dazu bei, dass Eltern sich in einer Einrichtung wohl fühlen. Sinnvoll ist es, hin und wieder externe Experten einzuladen, die aktuelle Themen im Zusammenhang mit Bildung, Erziehung oder Kinderschutz ansprechen.

 

 6.Möglichkeiten der Mitwirkung

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Eltern dazu beitragen können, dass die Arbeit in einer Kita oder Krippe reibungslos läuft. Neben der Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung von Festen können Mütter und Väter auch selbst Projekte, besondere Aktionen oder Arbeitsgemeinschaften anbieten. Auch als Begleitperson für Ausflüge oder als personelle Unterstützung bei Personalmangel sind Eltern den Fachkräften eine große Hilfe.
 

Erziehungspartnerschaft in der Krippe

 

In der Krippe spielt die enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und Einrichtung eine noch größere Rolle als im Kita-Bereich, weil die Kleinen sprachlich noch nicht in der Lage sind zu äußern, wie ihr Tag abgelaufen ist. Die Dokumentation des Tagesgeschehens für jedes einzelne Kind sowie ein möglichst ausführliches Übergabegespräch bei der Abholung ist daher im Krippenbereich besonders wichtig. Auch die Eingewöhnungsprozess verläuft bei Kleinkindern anders als bei älteren Kindern. In dieser Phase ist ein enger und vertrauensvoller Austausch mit den Eltern unerlässlich, damit das Kind einen guten Start erlebt und Mütter und Väter ein gutes Gefühl haben, wenn sie ihr Kind fremdbetreuen lassen. Gerade die ersten Wochen des gegenseitigen Kennlernens spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf ein positives Miteinander zwischen Familien und der pädagogischen Einrichtung.

 

Tipp zum Weiterlesen:

Wenn du eine Hausarbeit zum Thema Erziehungspartnerschaft verfassen möchtest und wissenschaftliche Literatur brauchst, findest du unter anderem hier geeignete Quellen:

https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_WB__Bildungs-_und_Erziehungspartnerschaft_2015.pdf

 http://www.mamie.de/pdf/Erziehungspartnerschaft02Raabe.pdf

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