
Die angespannte Personalsituation in deutschen Kindertagesstätten hat nach Einschätzung von Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, weitreichende Folgen. Unzuverlässige Öffnungszeiten und häufige Schließungen zwingen viele Eltern dazu, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Laut Schnitzer sei die Kinderbetreuung in Deutschland weder ausreichend verfügbar noch verlässlich.
„System setzt auf private Lösungen“
In einem Interview mit der Funke Mediengruppe kritisierte Schnitzer, dass Eltern oft gezwungen seien, auf Großeltern oder kostenpflichtige Babysitter zurückzugreifen. „Wer diese Unterstützung nicht organisieren kann, sieht sich gezwungen, beruflich kürzerzutreten“, erklärte sie. Vor allem für Familien ohne finanzielle Ressourcen bedeute dies eine erhebliche Einschränkung.
Teilzeitarbeit durch aktuelle Strukturen gefördert
Die Wirtschaftswissenschaftlerin wies darauf hin, dass die politischen und strukturellen Rahmenbedingungen Teilzeitarbeit regelrecht begünstigten. Forderungen nach einer Abschaffung von Teilzeitmodellen, wie sie etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geäußert hatte, seien deshalb „realitätsfern“. Schnitzer kritisierte zudem das Ehegattensplitting, das in ihren Augen eine überholte Steuerregelung darstellt. „Die Reform dieses Modells wird seit Jahren vermieden, obwohl es die Situation zusätzlich verfestigt“, betonte sie.
Investitionen in Kitas und Gesellschaftsumbau gefordert
Um das Problem anzugehen, forderte Schnitzer mehr finanzielle Mittel und zusätzliches Personal für die Kitas. Damit könnten nicht nur Eltern entlastet, sondern auch die Integration von Kindern verbessert werden. Schnitzer hob hervor, dass Unternehmen ebenfalls Verantwortung tragen: „Es muss akzeptiert werden, dass Männer ihre Arbeitszeit reduzieren, um partnerschaftlich Familie und Beruf zu organisieren.“
Fachkräftemangel verschärft die Lage
Eine aktuelle Studie bestätigt den massiven Personalmangel in deutschen Kitas. Der Paritätische Gesamtverband beziffert die Lücke auf über 125.000 fehlende Fachkräfte. Gleichzeitig wird zunehmend Personal ohne pädagogische Ausbildung eingestellt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Laut der Bertelsmann Stiftung sank der Anteil qualifizierter Fachkräfte in den vergangenen Jahren von 75,8 Prozent (2017) auf 72,5 Prozent. Die empfohlene Quote von 85 Prozent wird damit deutlich verfehlt.
Mit bundesweit über 60.000 Kitas sei die Herausforderung, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, immens. Dennoch, so Schnitzer, müsse eine Lösung gefunden werden, da andernfalls sowohl die Qualität der Betreuung als auch die Berufstätigkeit vieler Eltern weiter leiden würden.
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/wirtschaftsweise-schnitzer-kinderbetreuung-arbeitszeit-wirtschaft-100.html