„Die spielen ja nur!“ Diese abwertende Äußerung im Hinblick auf kindliches tun hört man gar nicht so selten und sie beeinflusst auch die Bewertung pädagogischer Arbeit. Mit Kindern spielen, singen und basteln – das kann doch eigentlich jeder, oder?
Dabei ist das Spiel für ein Kind die Grundlage jedes Lernprozesses, es ist sozusagen die „Arbeit“ des Kindes und sollte daher in jeder Situation wertgeschätzt werden. Die Begriffe „spielen“ und „lernen“ sind bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter untrennbar miteinander verbunden. Die Aufgabe der Eltern, aber auch der pädagogischen Fachkräfte besteht darin eine Atmosphäre zu schaffen, in der altersgerechte Spielformen stattfinden können und der die Kinder angeregt werden, sich spielerisch mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Dazu müssen sie Spielmaterialien bereit stellen, die anregend sind, mit denen sich die Kinder im Idealfall selbst beschäftigen können und die ihnen kognitive, motorische oder kreative Herausforderungen bieten. Dazu müssen Erzieherinnen zunächst einmal wissen, welche Spielformen es gibt und welches Spielverhalten ein Kind in welchem Alter zeigt. Wichtig ist der Grundsatz, dass ein Spiel zunächst zweckfrei ist: Ein Kind spielt um des Spielens willen und zwar aus eigener Motivation heraus.
Folgende Spielformen unterscheiden Entwicklungspsychologen und Spielpädagogen:
- Das Funktionsspiel (aus sensomotorisches Spiel)
- Das Konstruktionsspiel
- Das Rollenspiel
- Das Regelspiel
- Das Bewegungsspiel
Manche Spielformen nutzt das Kind vor allem in einer bestimmten Entwicklungsphase, andere perfektioniert es immer weiter bis zum Schulalter oder sogar darüber hinaus. Grundsätzlich nehmen die Spielformen an Komplexität zu, je älter ein Kind wird. Gerade für Spiele, bei denen es mit anderen Kindern interagieren muss braucht es zusätzliche Fähigkeiten wie einen großen Wortschatz und ein gutes Ausdrucksvermögen, Regelverständnis, Frustrationstoleranz, grob- und feinmotorisches Geschick usw.
Ab etwa dem zweiten Lebensjahr ist eine Spezialisierung des Spiels zu beobachten. Das bedeutet beispielsweise, dass Jungen sich eher dem Bau- und Kontsruktionsspiel hinwenden, während Mädchen sich gerne in Rollenspiele vertiefen. Meist sind es jedoch die Bezugspersonen, die diese Entwicklung beeinflussen, da sie ihrem Kind vermeintlich altersspezifisches Spielzeug zur Verfügung stellen – aus genderpädagogischer Perspektive ein Fehler, da Kinder sich frei von geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen entwickeln dürfen sollten.
1. Das Funktionsspiel
Das Funktionsspiel bzw. sensomotorische Spiel ist die früheste Form des Spiels und die Basis für alle darauf folgenden Spielformen. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst die Bewegung und das erkunden des eigenen Körpers. Zunächst bewegt der Säugling Arme, Beine, Kopf und Finger noch recht unkoordiniert, lernt aber schon nach wenigen Monaten, die Kontrolle über seine Bewegungen zu übernehmen, nach Gegebständen zu greifen und diese mithilfe der Finger, der Zehen und des Mundes zu untersuchen. So lernt es die Beschaffenheit von verschiedenen Gegenständen kennen. Außerdem erfährt das Kind, dass es durch sein Verhalten (greifen, strampeln, Kopf drehen usw.) eine bestimmte Wirkung erzielen und damit seine Umwelt beeinflussen kann. Diese Erfahrungen stärken sein Selbstvertrauen, aber auch seine taktile, visuelle, fein- und grobmotorische sowie auditive Wahrnehmung.
Typische Spielzeuge für das Funktionsspiel:
- Säugling (0 bis 7 Monate) – Beißring, Rassel, Stofftiere, Kette
- Kleinkind (1 bis 3 Jahre) – Dreirad, Kreisel, Nachziehspielzeug, Reittier, Laufrad
- Kindergartenkind (3 bis 6 Jahre) – Fahrrad, Schaukel, Wippe
2. Das Konstruktionsspiel
Das Bau- und Konstruktionsspiel ist die zweite Spielform, die ein Kind erlernt. Sie baut auf das Funktionsspiel auf, denn hat das Kind sich bereits mit einem Spielmaterial auseinandergesetzt und seine Funktion erkannt, ist es in der Lage gezielt gegenständlich damit zu arbeiten und etwas zu konstruieren. Beim Konstruktionsspiel werden kognitive Fähigkeiten geschult (entwerfen einer Bauidee, statische Überlegungen usw.) aber auch Kreativität und Fantasie kommen zum Einsatz. Nicht zuletzt muss das Kind über die motorischen Fähigkeiten verfügen, um seine Konstruktionsidee umsetzen zu können. Das Konstruktionsspiel sollte zunächst ohne Vorgabe erfolgen. Vorschulkinder können bereits bebilderte Bauanleitungen umsetzen, Steckbilder nach Vorgaben erstellen oder einfache Faltanleitungen umsetzen.
Beispiele für Bau- und Konstruktionsspiele:
Bauen von Sandburgen, Bauklötze stapeln, Schienen zusammensetzen, das Gestalten mit Knete, das Bauen von Höhlen, das Bauen mit Konstruktionsmaterial wie Lego- und Duplosteine usw.
3. Das Rollenspiel
Erste Rollenspiele können bereits bei Kleinkindern beobachtet werden. Sie ahmen ein Verhalten nach, welches sie sich bei den Eltern abgeschaut haben und begleiten ihr Tun möglicherweise mit passenden Geräuschen (Beispiel: Ein Kind zieht einen Stock hinter sich her und brummt dazu laut, als würde es Staub saugen).
Bei diesem „So-tun-als-ob-Spiel“ nutzen Kleinkinder also bereits Gegenstände und verleihen ihnen temporär eine andere Funktion. Dadurch setzen sie sich mit alltäglichen Beobachtungen und Rollen auseinander, die sie sich bei ihren Bezugspersonen abgeschaut haben. Im Spiel erprobt das Kind Handlungen die es später braucht um seinen Alltag zu meistern, kann aber auch negative Gefühle wie Ängste verarbeiten.
Kleinkinder spielen zunächst noch alleine oder nebeneinander, manchmal beziehen sie andere Personen mit ein, indem sie ihnen zum Beispiel einen „Sandkuchen“ backen und anbieten. Je besser sich ein Kind verbal äußern kann, desto größer wird die soziale Bedeutung des Rollenspiels. Es ist dann geprägt von Kommunikation und Interaktion. Dadurch stärkt das Kind seine sozialen und sprachlichen Fähigkeiten, denn gerade komplexe Rollenspiele mit mehreren Personen sind selten frei von Konfliktpotenzial. An dieser Stelle geht es darum Problemlösungen zu finden und Kompromisse einzugehen, damit das gemeinsame Spiel fortgesetzt werden kann.
Die wichtigsten Merkmale des Rollenspiels im Überblick:
- das Kind nimmt freiwillig eine selbst gewählte Rolle ein
- Rollenspiele sind orts- und zeitabhängig
- das Rollenspiel kann einen realen Hintergrund haben, aber auch fiktive Geschichten beinhalten
- viele Rollenspiele sind mit Bewegungen verknüpft
- das Kind übt im Rollenspiel Handlungen ein, setzt sich mit Rollen- und Rollenerwartungen auseinander, verarbeitet Erfahrungen und Gefühle und interagiert bzw. kommuniziert mit anderen Kindern
4. Das Regelspiel
Regelspiele erfordern ein gewisses Verständnis für Regeln und die Bereitschaft, diese auch einzuhalten. Erste, ganz einfache Regelspiele, häufig auch Tischspiele, können Kinder ab etwa 2,5 Jahren spielen („Erster Obstgarten“, „Tempo, kleine Schnecke u.ä.). Voraussetzung sind je nach Spiel zudem bestimmte kognitive, sprachliche, soziale, feinmotorische und/oder emotionale Kompetenzen. Mit dem Gefühl umgehen zu können, zu verlieren, müssen Kinder zudem in der Regel erst lernen (Frustrationstoleranz).
Merkmale des Regelspiels:
- Die Regeln und der Ablauf des Spiels sind vorgegeben und gelten für alle Mitspieler gleichermaßen, es sei denn, sie werden einvernehmlich geändert
- Regelspiele verfolgen ein fest definiertes Ziel
- Es gibt Gewinner und Verliererer
5. Das Bewegungsspiel
Bewegungsspiele haben wie Regelspiele auch in der Regel festgelegte Regeln und weisen einen oder mehrere Lernschwerpunkte im motorischen Bereich auf, z.B. die Koordination, die Kraftdosierung, die Verbesserung des Gleichgewichtes, die Wahrnehmung usw. Die meisten Bewegungsspiele eignen sich für Kinder zwischen 2 6 Jahren, einige sind jedoch eher für Grundschulkinder oder Jugendliche konzipiert worden. Wichtig ist, dass trotz Wettbewerb der Leistungsgedanke nicht im Vordergrund steht und den Kindern der Spaß an der Bewegung erhalten bleibt.
Fazit:
Zunächst spielt das Kind mit dem eigenen Körper, bevor es Gegenstände zuerst zufällig, dann gezielt in sein Spiel miteinbezieht. Nachdem es sich mit der Funktion, dem Aussehen und der Beschaffenheit von Gegenständen auseinandergesetzt hat, nutzt das Kind diese nach und nach gezielt für Konstruktionsspiele oder für Rollenspiele. Später interessiert es sich auch für Regelspiele, die es gemeinsam mit anderen spielt und deren Verlauf es nicht immer selbst bestimmen kann. Das verlangt Ausdauer, Konzentration und Frustrationstoleranz. Die Aufgabe von Eltern und Erziehern besteht darin, die Entwicklung von Kindern zu beobachten und altersgerechte Spielangebote zu schaffen, die für die Kinder attraktiv genug sind um sich selbstständig und intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Dabei sollte nicht nur das Spielergebnis, das Produkt Wertschätzung erfahren, sondern auch die Spielidee bzw. der Spielprozess.