Zwei Jahre lang kein Verdienst, dafür täglich die Schulbank drücken – die klassische Erzieherausbildung in Vollzeit war für viele Interessenten in den letzten Jahren wenig attraktiv. Wer Erzieher*in werden wollte, entschied sich häufig für die praxisintegrierte Ausbildung, die von Beginn an vergütet wird. Was aber kaum jemand weiß: Bund und Länder fördern mit dem Aufstiegs-BAföG auch die Ausbildung in Vollzeit mit einem Beitrag zum Lebensunterhalt, wer Kinder hat profitiert finanziell sogar besonders.

 

Was ist das Aufstiegs-BAföG und seit wann existiert es?

 

Das Aufstiegs-BAföG ist eine von Bund (zu 78 Prozent) und den Ländern (22 Prozent) finanzierte Förderung von anspruchsvollen Aus- und Weiterbildungen, die über die grundlegende zweijährige (Erst-) Ausbildungen hinausgehen und dazu beitragen, dass sich Absolventen innerhalb ihrer jeweiligen Branche spezialisieren bzw. höher qualifizieren können. Grundlage ist das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, welches seit 1996 existiert und seitdem immer wieder überarbeitet wurde. Seit August 2020 werden nicht nur (anteilig) Aus- und Weiterbildungskosten bezuschusst und Prüfungsgebühren übernommen, sondern auch Zuschüsse zum Lebensunterhalt gezahlt, wenn die Ausbildung in Voll- oder Teilzeit absolviert wird und die Teilnehmer*innen keinen Lohn erhalten.

 

Wer kann das Aufstiegs-BAföG beantragen?

 

Das Aufstiegs-BAföG kann beantragen, wer eine anspruchsvolle berufliche Fortbildung bei einem anerkannten privaten oder öffentlichen Träger absolviert, die gezielt auf eine Prüfung nach der Handwerksordnung, dem Berufsbildungsgesetz oder auf einen gleichwertigen Abschluss vorbereitet. Das sind zum Beispiel Weiterbildungen und Abschlussprüfungen für

 

  • Handwerks- und Industriemeister*innen,
  • fürTechniker*innen,
  • Fachkaufleute oder
  • Betriebswirt*innen

 

Insgesamt werden mehr als 700 Berufsabschlüsse bezuschusst. Die Höhe des monatlichen Zuschusses zum Lebensunterhalt ist abhängig vom Einkommen und vom Vermögen. Das Alter hingegen spielt keine Rolle. Auch Ausländer, die einen ständigen Wohnsitz in Deutschland haben, sind förderberechtigt.

 

Welche Gegenleistung müssen Geförderte erbringen um das Ausfstiegs-BAföG zu erhalten?

 

Die Zahlung des Aufstiegs-BAföGs ist nicht an die Teilnahme bzw. an das Bestehen der Prüfungen gebunden, lediglich eine regelmäßige Teilnahme am fachtheoretischen Unterricht ist Pflicht. Wer selbstverschuldet mehr als 30 Prozent der Unterrichtsszeit fehlt, muss die Fördersumme zurückzahlen. Die Regelmäßige Teilnahme am Unterricht muss auf einem Formblatt dokumentiert und von der Fachschule durch entsprechende Unterschriften bestätigt werden.

 

Welche Fördermöglichkeiten können angehende Erzieher*innen in Anspruch nehmen?

 

Interessant ist die Möglichkeit das Aufstiegs-Bafög beantragen zu können für alle angehenden Erzieher*innen, die eine klassische Erzieherausbildung in Voll- oder Teilzeit absolvieren. Voraussetzung für die Bewilligung des Zuschusses ist die Teilnahme an mindestens 400 Unterrichtsstunden, verteilt auf mindestens 25 Wochenstunden an vier Unterrichtstagen pro Woche. Der Unterricht kann auch virtuell stattfinden, eine physische Präsenz ist nicht zwingend erforderlich. Da Praxiszeiten nicht gefördert werden, müssen die Praktika gleichmäßig in die schulische Ausbildung eingebettet sein, dürfen also im Hinblick auf die Ausbildungsorganisation nicht als längere Blockpraktika umgesetzt werden.Im Hinblick auf die unterschiedlichen Fördermodelle sieht das Bundesfortildungsförderungsgesetz unter anderem eine Bezuschussung von Lehrgangs, Prüfungs- und Materialkosten vor, zudem werden zinsgünstige Darlehen gewährt. Da die Fachschulausbildung in allen Bundesländern aber kostenlos ist und auch keine Prüfungsgebühren anfallen, ist für angehende Erzieher*innen, welche die Erzieherausbildung in Vollzeit absolvieren, vor allem die Möglichkeit interessant einen Zuschuss zu den Lebensunterhaltungskosten zu erhalten. Zudem wird ein Kinderbetreuungszuschlag für Kinder unter 14 Jahren gezahlt.

 

Mit welchen Fördersummen kann ich rechnen, wenn ich das Aufstiegs-BAföG beantrage?

 

Wie hoch die monatlichen Zuschüsse zum Lebensunterhalt sind, hängt von den individuellen Lebens- und Einkommensverhältnissen ab.

 

Beispiel 1:
Antragsteller*in ist ledig, hat keine Kinder und verfügt über kein eigenes Einkommen

= maximale monatliche Fördersumme von 892 €

Ein Minijob (450 Euro) bleibt anrechnungsfrei.

 

Beispiel 2:
Antragsteller*in ist ledig, alleinerziehend und betreut zwei Kinder unter 14 Jahren im eigenen Haushalt

= maximale monatliche Fördersumme von 892 €
+ Kinderzuschlag von 2 x 235 €
+ Pauschale für die Kinderbetreuung von 150 €

 

 

Bei Verheirateten erhöht sich der Freibetrag um 630 Euro und je Kind noch einmal um 570 Euro. Der Förderrechner vom Bundesministerium für Bildung und Forschung kann einen einen Überblick über die mögliche maximale Fördersumme bieten. Die Auskunft ist aber natürlich nicht rechtsverbindlich, ausschlaggebend sind im Einzelfall immer die individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

 

Wo und wie wird das Aufstiegs-BAföG beantragt?

 

Das Aufstiegs-BAföG muss bei den zuständigen Behörden der einzelnen Bundesländer beantragt werden. In der Regel sind das Ämter auf kommunaler Ebene. Die bundeseinheitlichen Formulare findest du aber auch hier:

https://www.aufstiegs-bafoeg.de/aufstiegsbafoeg/de/ihr-weg-zur-foerderung/antragsformulare/antragsformulare_node.html

Unten auf der Seite befindet sich eine Postleitzahlen-Suche. So findest du schnell die für dich zuständige Behörde bei der du deinen Antrag einreichen, dich aber auch vorab persönlich beraten lassen kannst.
Tipp: Die Anträge können auch online gestellt werden. Hier kannst du dich diesbezüglich informieren.

 

Wie lange wird das Aufstiegs-BAföG gezahlt?

 

Das Aufstiegs-BAföG wird bis zu drei Jahre lang gezahlt, angehende Erzieher*innen erhalten während der Vollzeitausbildung in der Regel zwei Jahre lang eine Förderung, da sie im dritten Jahr ihr Berufspraktikum absolvieren, welches vergütet wird (ca. 1200 Euro netto).

 

Muss das Aufstiegs-BAföG zurückgezahlt werden und gibt es alternative Fördermöglichkeiten?

 

Die Unterhaltsförderung muss, im Gegensatz zu anderen Zuschüssen, nicht zurückgezahlt werden. Der Vorteil gegenüber dem Schüler-BAföG, welches Fachschüler alternativ beantragen könnten, besteht darin, dass das Aufstiegs-BAföG höhere Freibeträge bietet und zudem unabhängig vom Alter und vom Einkommen der Eltern gezahlt wird. Angehende Erzieher zwischen 18 und 35 können auch unabhängig vom eigenen Einkommen oder dem der Eltern einen Bildungskredit beantragen. Dieser muss jedoch, anders als das Aufstiegs-Bafög, zuzüglich der jeweiligen Zinsen zurückgezahlt werden.
Gut zu wissen:

 

Stellt das Aufstiegs-BAföG ein Argument für die „klassische“ Erzieherausbildung in Vollzeit dar?

 

Unserer Meinung nach gibt es viele gute Gründe sich für die klassische Vollzeitausbildung zu entscheiden und gegen die praxisintegrierte Ausbildung (PiA). Die Studierenden haben mehr zeitliche Ressourcen, sowohl für das Privatleben als auch für die Vorbereitung auf Prüfungen, wenn sie lediglich am Vormittag die Fachschule besuchen. In den Ferien und am Nachmittag haben sie freie Kapazitäten um den Lernstoff zu verinnerlichen oder einem Minijob nachzugehen. Wer sich für die praxisintegrierte Ausbildung entscheidet erhält zwar eine Ausbildungsvergütung, muss sich aber darüber bewusst sein, dass Theorie, Praxis sowie die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts 50 bis 60 Wochenstunden in Anspruch nehmen können.

 

Fazit: Durch das Aufstiegs-BAföG wird die klassische Form der Fachschulausbildung auch für Quereinsteiger, ältere Interessenten und Mütter bzw. Väter mit jüngeren Kindern interessant, zumal ein 450-Euro-Job anrechnungsfrei bleibt.

 

Weitere nützliche Links zum Thema Aufstiegs-BAföG:

https://www.aufstiegs-bafoeg.de/aufstiegsbafoeg/de/das-gesetz/fragen-und-antworten/fragen-und-antworten.html

https://www.dihk.de/resource/blob/27658/bbbe462cc774fb9de9ea13695fcd4976/handout-afgb-bmbf-data.pdf

https://www.aufstiegs-bafoeg.de/aufstiegsbafoeg/de/home

 

Für weitere Fragen stand uns Herr Thilo Vester der BWS Hofheim zur Verfügung

 

Welche Vorteile bietet die klassische Erzieherausbildung gegenüber der PIA-Ausbildung und wird das Aufstiegs-Bafög auch wirklich in den meisten Fällen genehmigt? Diese und weitere Fragen haben wir jemandem gestellt, der es wissen muss:

Thilo Vester, StD, ist Abteilungsleiter für den Bereich Sozialwesen an der BWS Hofheim (Hessen), Fachschule für Sozialwesen.

 

Seit einigen Jahren bieten immer mehr Schulen in fast allen Bundesländern die sogenannte piA-Ausbildung, also die praxisintegrierte Ausbildung für angehende Erzieher*innen an. Gibt es überhaupt noch eine Nachfrage nach der klassischen Erzieherausbildung in Vollzeit?

 

Die Nachfrage ist auch letztes Jahr noch stabil gewesen. Erst in diesem Jahr ist sie erheblich zurückgegangen. Die Gründe scheinen vor allem in der massiven Werbekampagne für die PivA bei gleichzeitig geringer Werbung für die Vollzeitausbildung zu liegen. Das gilt im Übrigen für alle Arten von für Werbung verwandte Medien. Daher ist die Finanzierungsmöglichkeit der Vollzeitausbildung auch kaum bekannt.

 

Welche Vorteile bietet die klassische Ausbildungsvariante im Vergleich zur praxisintegrierten Ausbildung Ihrer Meinung nach? Für wen ist sie besonders geeignet?

 

Die wichtigsten Argumente für die Vollzeitausbildung zusammengefasst:

 

Finanziell:

 

Die Studierenden erhalten das AFBG, wenn sie die Ausbildung machen, also zur Schule gehen und in die beiden Blockpraktika gehen. Das Aufstiegs-BAföG muss nicht zurückgezahlt werden, ist also ein Vollkostenzuschuss. Es wird die ersten beiden Jahre bis zum letzten Unterrichtstag im 2. Jahr nach den Prüfungen gezahlt
Die Berechnung der Förderungssumme erfolgt elternunabhängig, richtet sich jedoch nach Vermögen und Einkommen. Die Freibeträge sind aber sehr hoch angesetzt.Verheiratete erhalten 235 Euro zusätzlich, pro Kind gibt es 235 Euro zusätzlich. Beispiel: Ein/e Studierende/r ist 38 Jahre alt, alleinerziehend, hat zwei Kinder und ein Vermögen unter 45000 Euro. In diesem Fall würde die Förderung insgesamt ca. 1365 Euro monatlich betragen.
Zusätzlich zum Aufstiegs-Bafög bleibt z.B. ein Minijob bis 450 Euro steuerfrei. Im dritten Ausbildungsjahr ist die/der Auszubildende in der Praxis tätig und verdient dort zwischen 1500 und 1900 Euro brutto.

 

Studium, weitere berufliche Schritte:

 

Wer zusätzlich 3 Stunden/Woche in einen Mathekurs geht (freiwillig), erhält nach 2 Jahren (nach bestandener Prüfung) seine allgemeine Fachhochschulreife und kann an jeder Hochschule jedes Fach studieren. Diese Möglichkeit gibt es in der PiA-Struktur nicht.

Weitere Vorteile:

 

Die Studierenden haben ganz normale Ferien wie alle anderen Schüler auch. Die Wochenstunden sind überschaubar (auch für Alleinerziehende): ca. 33-36 Stunden in der Regel zwischen 8.00 – 15.00 Uhr (statt ca. 50 Stunden bei PiA). Die Studierenden können sich so auch noch ihrer Familie widmen und die Ferien teils zum Vorbereiten von Klausuren nutzen.

 

Zusätzliche Vorteile an unserer Fachschule für Sozialwesen:

 

Die Studierenden werden gezielt und langfristig individuell durch die gesamte Ausbildung und die Praktika begleitet und auf die Prüfung vorbereitet (dementsprechend haben wir kaum Studierende, die durchfallen).
Die Struktur der Ausbildung ist klar und langfristig erprobt und evaluiert (insbesondere auch durch die Studierenden), wird zudem ständig verbessert (die Fachschule ist bei der DQS zertifiziert und wird jährlich auditiert)
Das Kollegium als Team ist auch schon lange zusammen, wird gleichwohl ständig durch neue und selbst ausbildete KollegInnen erweitert und unterstützt sich und die Studierenden kollegial und wertschätzend
Die Qualität der Ausbildung und der Auszubildenden ist dementsprechend gut (bestätigt auch durch die letzte Umfrage bei den Praxisstellen) Damit ist die Vollzeitausbildung für alle Zielgruppen interessant, für leistungsstarke und der Förderung mehr bedürftige Studierende.
Besonders passend erscheint sie auch für Alleinerziehende und Verheiratete mit Kindern, da neben dem zeitlichen und inhaltlichen Aufwand für die hoch qualifizierte Ausbildung noch genug Zeit für die Familie bleibt.

 

Wissen die Interessent*innen für die Erzieherausbildung von der Möglichkeit, dass sie das Aufstiegs-BAföG beantragen können, wenn diese sich bei Ihnen informieren oder für einen Studienplatz bewerben?

 

Leider häufig nicht. Wir hoffen, dass es uns gelingt, durch die jetzt begonnenen Informationsveranstaltungen und Werbemaßnahmen durch unsere Schule und unsere Partner im Kreis und in der Praxis mehr Transparenz in die Möglichkeiten der Finanzierung durch das Aufstiegs-Bafög zu bekommen.

 

Wird der Zuschuss zum Lebensunterhalt auch in allen Fällen wirklich gewährt? Wie hoch sind Ihrer Erfahrung nach die bürokratischen Hürden und wie schnell werden die Anträge bearbeitet?

 

Eindeutig ja: in unseren Fachschulklassen erhält praktisch jeder die AFBG-Förderung. Natürlich sollte der Antrag möglichst frühzeitig gestellt werden, damit die Zahlungen auch rechtzeitig erfolgen. Da wir in Hessen am 15.2. Bewerbungsschluss haben und die Bewerber:innen schon eine Woche später ihre Zusage für eine Aufnahme an unserer Schule bekommen, haben sie ausreichend Zeit, einen Antrag zu stellen.

 

Würden Sie sich wünschen, dass das Aufstiegs-BAföG mehr beworben wird? Können Sie sich vorstellen, dass dieses dazu beiträgt mehr Menschen sich für den Erzieherberuf zu gewinnen und dem Fachkräftemangel entgehen zu wirken?

 

Ja, das würde ich mir wünschen, da diese Form der finanzierten Ausbildung (Vollzeit)  für viele Menschen einen guten und für Ihre private Situation passende Rahmen bildet, Privatleben und Ausbildung unter einen Hut zu bringen und den Abschluss erfolgreich zu gestalten. Auch die Möglichkeit, „nebenbei“ die allgemeine Fachhochschulreife zu erwerben, um ggfs. später an einer Hochschule (ohne fachliche Bindung) zu studieren, erhöht die Attraktivität enorm.

Wir haben bereits in den letzten Wochen bemerkt, dass sich auf unsere Werbeoffensive hier im Main-Taunus-Kreis hin viele Menschen mit Kindern bei uns gemeldet haben, die jetzt die Chance sehen, die ErzieherInnen-Ausbildung im nächsten Schuljahr beginnen zu können: also scheint es durchaus einen deutlichen Bedarf für diese Ausbildungsform zu geben, der bisher noch nicht geweckt worden ist.

Stand: Februar 2022

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