Noch immer gibt es viele Kindergärten, in denen Sprachförderung als „getrennt von allem anderen“ gesehen wird. Doch alltagsintegrierte Sprachförderung ist kein eigenes Projekt. Mit jedem Wort, dass du sagst, mit jedem Lied, das gesungen wird und jedem Kreis, in dem alle Kinder dabei sind, förderst du Sprache. Sicher gibt es Kinder, deren Spracherwerb sich einfach gestaltet, die wenig Unterstützung oder Hilfe brauchen, weil sie extrovertiert sind. Andere wirken unsicher, zurückhaltend und schüchtern, wenn sie sich sprachlich mitteilen sollen. Gerade für diese Kinder bedeutet ein eigenes Sprachförderprogramm oftmals auch, dass sie sich als Sonderlinge fühlen.
Umso wichtiger ist es, Sprachförderung spielerisch und ganz nebenbei in den Kita-Alltag zu integrieren. Hier findest du einfache Tipps, Sprachförderung in der Kita einfach umzusetzen.
Was bedeutet alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita?
Verschiedene Sprachstandserhebungen und Studien haben mittlerweile belegt, dass Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, oft mit signifikanten Problemen mit der deutschen Sprache kämpfen.
Zugleich gibt es jedoch auch viele Muttersprachler, die undeutlich reden, die Probleme haben, ihren Wortschatz zu erweitern, verschiedene Buchstaben nicht aussprechen können, usw. All diese Kinder werden durch Sprachförderung mit einfachen Methoden in ihrem Lernen unterstützt. Dabei gibt es mittlerweile eine Vielzahl von pädagogischen Programmen und Spielen, die die Sprachbildung in den unterschiedlichsten Bereichen voranbringen. Eines wird dabei jedoch oftmals unterschätzt: Die alltagsintegrierte Sprachförderung in Kita und Kindergarten. Diese passiert ganz nebenbei ohne spezielles „Programm“ oder vorherige Ankündigung. Die Kinder merken nicht, dass sie gefördert werden und können deshalb auch ganz unbeschwert agieren.
Alltagsintegrierte Sprachförderung: Beispiele
„Lasst die Kinder reden.“ Das klingt so banal, dass man denken könnte, da hat sich jemand nicht wirklich viele Gedanken gemacht. Doch hier liegt der Schlüssel zum Erfolg. Beobachtet doch einfach einmal, wie oft wir Erwachsenen eine Frage stellen und uns diese selbst beantworten, noch ehe das Kind überhaupt die Chance hatte, über eine Antwort nachzudenken.
Ein Beispiel:
Alle Kinder sitzen am Tisch um gemeinsam zu frühstücken. Ein Jung deutet auf die Flasche. Noch ehe er darum bitten kann, ihm etwas zum Trinken zu geben, fragt die pädagogische Fachkraft: „Hast du Durst?“
Bevor er antwortet, greift sie nach dem Glas, sagt: „Hier, bitte“ und schüttet ihm etwas ein.
Die Situation würde vollkommen anders verlaufen, wenn die Fachkraft abgewartet hätte, bis der Junge zu ihr sagt: „Ich habe Durst.“ Oder „Ich möchte etwas trinken.“ Oder „Gibst du mir Mineralwasser?“
Eine andere Situation:
Die Mutter steht morgens neben ihrem Kind. Es geht darum, was die Tochter anziehen will.
Mama: „Willst du diese Hose oder die geblümte.“ Die zur Auswahl stehenden Hosen hält die Mutter ihrem Kind hin.
Die Tochter greift nach ihrem Favoriten und sofort ergreift die Mutter wieder das Wort: „Also die geblümte Hose.“
Hätte die Mutter ihre Frage anders formuliert, nämlich so:
„Möchtest du die rosa Hose anziehen oder die geblümte?“ und sie ihrem Kind nicht direkt hingehalten, wäre die Tochter in der Verantwortung gewesen, sich zu äußern.
Selbst wenn das Mädchen gesagt hätte: „Zeig sie mir mal“, hätte sie etwas gesagt.
So konnte das Kind seine Auswahl treffen, ohne ein Wort zu sprechen.
Genau hier liegt die Verantwortung jeder Fachkraft und jedes Elternteils. Wir müssen die Kinder anhalten zu reden und ihnen auch die Chance geben, nachzudenken. Das bedeutet für dich, dass du dich zurücknehmen musst. Eine gute Möglichkeit ist, einfach dreimal durchzuatmen, ehe man eine Antwort erwartet oder diese bereits vorwegnimmt. So verschaffst du den Kindern Zeit zum Sprechen und drückst gleichzeitig deine Wertschätzung aus.
Im Dialog bleiben und Gesprächsanlässe schaffen
Kinder brauchen auch die Sicherheit, angehört zu werden.
Komme mit den Kindern ins Gespräch, höre ihnen zu und signalisiere, dass du dich ernsthaft auf das Gespräch einlassen möchtest. Kinder spüren es, wenn wir nur mit einem halben Ohr zuhören. Besser ist es, wenn wir einem Kind sagen, dass es kurz warten muss, weil wir noch etwas anderes zu tun haben, als dem Gespräch nicht unsere komplette Aufmerksamkeit zu schenken.
Hier einige Potenzielle Gesprächsanlässe im Kita-Alltag:
- Im Stuhlkreis: Jedes Kind erzählt montags, was es am Wochenende erlebt hat. Die andern hören zu. Um das Kind zum Weitersprechen zu motivieren kannst du offene Fragen stellen, wenn es dir sinnvoll erscheint. Du bedankst dich bei jedem einzelnen Kind, dass es sich mitgeteilt hat.
- Am Maltisch: Setze dich einfach dazu und bitte ein Kind darum, dir einen blauen Stift zu geben. So siehst du, ob das Kind dich entsprechend versteht und deine Bitte umsetzen kann. Zugleich kannst du hier mit den Kindern reden und spielerisch mitbekommen, inwieweit die Kinder Farben bereits benennen können.
- Beim Wickeln: Hier ergibt sich die seltene Möglichkeit, mit Kindern ganz ungestört einen Dialog zu führen. Die meisten Kleinkinder freuen sich über die ungeteilte Aufmerksamkeit, die Pflegesituationen bieten. Sie haben dann oft weniger Hemmungen sich mitzuteilen als im Trubel des Gruppen-Alltags.
- Bei Streitigkeiten: Versuche nicht zu schnell einzugreifen, wenn Kinder einen Konflikt austragen. So lange sie sich verbal auseinandersetzen besteht kein Grund das Gespräch zu unterbrechen oder gar eine Lösung vorzugeben. Solltest du doch als Vermittler/-in gefordert sein, versuche neutral zu bleiben und bitte alle Beteiligten, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Anschließend sollten die Kinder selbst überlegen, wie sich ihr Problem lösen lässt.
6 Methoden für Fachkräfte, die gezielt Sprache fördern
- Korrektives Feedback geben
Kinder mit Problemen bei der Lautbildung oder verzögerter Sprachentwicklung trauen sich häufig nicht sich mitzuteilen. Daher ist es ganz wichtig diese Kinder zu verbessern oder gar zurecht zu weisen. Besser ist es, das Gehörte einfach korrekt wiederzugeben ohne die fehlerhafte Aussprache bzw. Grammatik zu kommentieren.
- Aktives Zuhören
Man kann nicht nicht kommunizieren – aber gerade wenn Kinder Erwachsenen etwas mitteilen möchten, fühlen sie sich oft nicht richtig verstanden. Das kann frustrierend sein. Daher solltest du stets das Gehörte noch einmal in eigenen Worten zusammenfassen: „Verstehe ich das richtig, dass du gerne eine Igel-Laterne basteln würdest, aber nicht so richtig weißt, wie du anfangen sollst?“
- Wiederholungen ermöglichen
Die Kinder wünschen sich im Stuhlkreis immer das gleiche Spiel und bestehen darauf, jeden Tag ein bestimmtes Lied während der Ruhezeit zu hören? Gut so: Nur Dinge, die ständig wiederholt werden, prägen sich (richtig) ein. Wiederholungen und Rituale geben zudem auch schüchternen und unsicheren Kindern Sicherheit im Kita-Alltag.
- Alle Sprachen wertschätzen
Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, verstummen oft im Alltag. Daher ist es wichtig Kindern zu vermitteln, dass alle Sprachen gleichwertig sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einer zusätzlichen morgendlichen Begrüßung auf Türkisch, Arabisch oder Ukrainisch? Hier macht es Sinn auch die Eltern miteinzubeziehen.
- Schweigen aushalten können
Pädagogische Fachkräfte neigen leider manchmal dazu vorschnell Diagnosen (was sie ohnehin nicht dürfen) zu stellen, gerade im Hinblick auf die Sprachentwicklung. Aber nicht jedes Kind, das konsequent schweigt, ist entwicklungsverzögert. Wichtig ist, Kinder nicht zum Sprechen zu drängen oder gar vor anderen bloß zu stellen. Besser: Beobachten, Gesprächsanlässe schaffen, Geduld haben und gegebenenfalls einen Expertenrat einholen.
- Offene Fragen stellen
Damit Kinder sprechen, brauchen sie die richtigen Impulse. Einen solchen Impuls schaffen wir durch Fragen, die nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. So kannst du entweder fragen:
„Willst du den blauen Becher haben?“
Darauf sagt das Kind „Ja“ oder „Nein“.
Stattdessen kannst du die Frage anders formulieren:
„Welchen Becher möchtest du denn haben?“
Einfache Spiele für die Sprachförderung in der Kita
Viele der Spiele, die im Stuhlkreis gespielt werden, schulen die Sprache, das Sprachverständnis und erweitern den Wortschatz. Gleises gilt für Lieder, Reime und Fingerspiele. Nicht selten beteiligen sich Kinder, die im Alltag kaum ein Wort sagen, gerne an Spielen und singen mit, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
Hier einige Ideen für Spiele, bei denen die Sprache und die Erweiterung des Wortschatzes im Vordergrund stehen:
- Silben klatschen:
Jedes Kind klatscht seinen Namen, in dem es ihn in Silben unterteilt. Die Silben zu „hüpfen“ klappt auch!
- „Mein rechter, rechter Platz ist frei“:
Das Spiel eignet sich super, um Namen zu festigen. Sind diese bekannt, wünscht sich das Kind, dessen rechter Platz gerade frei ist, ein anderes Kind in Form eines Tieres herbei. Alternativ muss das aufgerufene Kind eine bestimmte Bewegung machen.
- Tiere beschreiben:
„Das Tier, das ich meine, hat ein Fell, kann klein oder groß sein und sieht dem Menschen ähnlich.“
Als Einführung kannst du die Tiere beschreiben, grundsätzlich schaffen das aber auch Vorschulkinder selbstständig.
- Fingerspiele:
Fingerspiele fördern spielerisch die Sprache und gleichzeitig die Feinmotorik. Sie sprechen vor allem jüngere Kinder an, weil das wichtigste sprachliche Element die Wiederholung ist.
Gut zu wissen:
Nicht immer beteiligen sich Kinder aktiv an Sprachspielen im Alltag. In anderen, unbeobachteten Situationen hingegen sieht es anders aus – oft berichten Eltern, dass ihr Kind alleine in seinem Zimmer die Lieder aus der Kita singt. Auch in diesem Fall hat die alltagsintegrierte Sprachförderung ihren Zweck erfüllt.
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