Dialogische Bilderbuchbetrachtung

Die dialogische Bilderbuchbetrachtung ist schon immer ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit in Kitas gewesen. Es gilt als erwiesen, dass Kinder, denen viel vorgelesen wird, sprachlich fitter sind und weniger Probleme beim späteren Schriftspracherwerb haben.
Nachfolgend findest du die wichtigsten Antworten rund um die (dialogische) Bilderbuchbetrachtung als pädagogisches Angebot in Krippe und Kita.

 

Was ist eine (dialogische) Bilderbuchbetrachtung?

 

Eine Bilderbuchbetrachtung im pädagogischen Kontext ist ein gezieltes Angebot unter Berücksichtigung des für Kinder attraktiven Mediums Bilderbuch.
Du liest einem oder mehreren Kindern ein Bilderbuch vor, alternativ erzählst du die Geschichte frei und nutzt nur die Bilder des Buches als „Roten Faden“ durch die Geschichte.
Das Bilderbuch ist wahrscheinlich das beliebteste Medium in der pädagogischen Arbeit, weil es so vielseitig eingesetzt werden kann. Eine Bilderbuchbetrachtung ist gut geeignet, wenn

 

  • die Sprechfreude angeregt werden soll,
  • die Kinder ihren Wortschatz erweitern sollen,
  • du Sachwissen zu einem Thema vermitteln möchtest oder
  • du die Kinder dazu animieren willst über einen Sachverhalt zu reflektieren (Streit, Freundschaft, anders sein usw.)

 

Wichtig ist aber, dass eine Bilderbuchbetrachtung in Krippe oder Kindergarten gut vorbereitet wird, wenn sie den Qualitätskriterien an eine geführte Tätigkeit genügen soll. Das bedeutet natürlich nicht, dass du während des Freispiels den Wunsch eines Kindes, ein von ihm gewähltes Buch vorgelesen zu bekommen ablehnen musst.
Wird das Bilderbuch von dir aber gezielt eingesetzt, zum Beispiel zur Sprachförderung, so solltest du die Bilderbuchbetrachtung dementsprechend vorbereiten. In der Erzieherausbildung möchten die Lehrer bei ihren Praxisbesuchen zudem häufig ein entsprechendes Angebot sehen.

 

Was fördert eine Bilderbuchbetrachtung? Warum ist sie wichtig?

 

Eine (dialogische) Bilderbuchbetrachtung ist im wahrsten Sinne des Wortes „pädagogisch wertvoll“. Je nach Alter der Kinder und abhängig vom Inhalt des Buches kann der Förderschwerpunkt ganz unterschiedlich aussehen. Eine Bilderbuchbetrachtung fördert zum Beispiel:

 

  • die Erweiterung des Wortschatzes,
  • die Konzentration,
  • die Sprechfreude,
  • Grammatik und Satzbau,
  • die Fähigkeit, Gehörtes zu verstehen und in eigenen Worten wiederzugeben,
  • Empathie und soziale Kompetenz.

 

Mithilfe eines Bilderbuches können auch komplexere Sachtthemen kindgerecht vermittelt werden, es gelingt leicht, das Bilderbuch als Gesprächsanlass zu nutzen und mit Kindern auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Bei der Bilderbuchbetrachtung können die Ziele also ganz unterschiedlich aussehen. Zielsetzungen im Bereich Sprache und Sprachförderung sind ebenso denkbar wie pädagogische Zielsetzungen im Bereich "Sozial-emotionale Entwicklung“ oder im Hinblick auf Konzentration, Merkfähigkeit usw.

 

Was ist wichtig bei der dialogischen Bilderbuchbetrachtung?

 

 

Eine Bilderbuchbetrachtung nach pädagogischen Maßstäben sollte immer eine sogenannte „dialogische Bilderbuchbetrachtung“ sein. Wird das Buch einfach vorgelesen, bleiben die Kinder als bloße Zuhörer passiv. Daher ist es wichtig, sie aktiv in den Lese- bzw. Erzählprozess miteinzubeziehen. Das geschieht zum Beispiel, in dem du offene Fragen stellst:

 

„Warum glaubst du, ist der Junge so traurig?“

 

Zudem ist es sinnvoll, einen Bezug zum Leben der Kinder herzustellen, um Erzählanlässe zu schaffen:

 

„Hast du dich auch schon einmal so gefühlt wie das Kind im Buch?“

„Welche Lösung hast du gefunden?“

 

Bei jüngeren Kindern sollten deine Fragen weniger abstrakt ausfallen, damit der Dialog nicht ins Stocken gerät:

 

„Welche Farbe hat der Esel?“

„Wohin möchten Tiger und Bär verreisen?“

 

Das Bilderbuch ist nie Selbstzweck, es dient als Vorlage um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen.

 

Tipp:

Grundsätzlich ist es bei der dialogischen Bilderbuchbetrachtung wichtig, alle Beiträge der Kinder zumindest wertzuschätzen, im Idealfall auch aufzugreifen. Versuche möglichst flexibel zu sein: Im Zweifel überspringst du lieber einige Seiten und nimmst die Anmerkungen der Kinder als Anlass, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen als dich sklavisch an den vorgegebenen Text zu halten.

 

Welches Buch eignet sich für eine Bilderbuchbetrachtung?

 

Welches Buch für eine Bilderbuchbetrachtung geeignet ist, hängt von vielen Faktoren ab, z.B. von

 

  • dem Alter der Kinder,
  • der Gruppengröße,
  • dem sprachlichen und kognitiven Entwicklungsstand der teilnehmenden Kinder,
  • deiner pädagogischen Zielsetzung usw.

 

Die Altersempfehlung des Verlags kann in jedem Fall immer nur eine grobe Orientierung geben – du weißt selbst am besten wie ein Buch inhaltlich, visuell und sprachlich aufgebaut sein muss, damit die von dir ausgewählten Kinder weder über- noch unterfordert sind.

Wichtig ist, dass die Bilder möglichst ansprechend gestaltet sind. Als Faustregel gilt: Je jünger die Kinder, desto realistischer sollten die Illustrationen sein. Mit abstrakten Zeichnungen können Kleinkinder noch nichts anfangen und zu detaillierte oder komplexe Bilder stellen schnell eine Reizüberflutung dar.

Achte zudem darauf, dass das von dir ausgewählte Bilderbuch sprachlich ansprechend ist und thematisch an den Erfahrungshorizont deiner Zielgruppe anknüpft. Nur so kannst du das Interesse der Kinder wecken und aufrecht erhalten.

Entscheidend sind hier

 

  • kindgerechte Ausdrucksweisen,
  • keine antiquierten Ausdrücke,
  • keine oder wenige Fach- und Fremdwörter,
  • kurze Sätze,
  • ein ausgewogenes Verhältnis von Text und Bild,
  • eine kurze, in sich abgeschlossene und für die Kinder spannende Geschichte

 

 

Bilderbuchbetrachtung und Ausarbeitung: Muss ich zunächst eine Bilderbuchanalyse durchführen?

 

Natürlich musst du nicht für jede Bilderbuchbetrachtung, die du planst, eine ausführliche Analyse durchführen. Wenn ein Lehrerbesuch ansteht, wird dies jedoch oft erwartet. Eine gute Vorlage für eine detaillierte Bilderbuchanalyse findest du hier.

Auf jeden Fall solltest du dich aber intensiv mit dem Buch auseinandersetzen, welches du mit den Kindern bearbeiten möchtest. An folgenden Leitfragen kannst du dich dabei orientieren:

 

  1. Welches Thema hat das Buch? Greift es eine für die Kinder relevante Fragestellung auf? Gibt es Anknüpfungspunkte zu ihrem Alltag, ihren Interessen oder Problemen?
  2. Wie ist der Aufbau des Buches? Steht der Text im Vordergrund? Oder sind die Bilder vielleicht sogar selbsterklärend?
  3. Handelt es sich bei dem Buch um einen „Klassiker“ oder eine Neuerscheinung? Haben Kollegen schon Erfahrungen mit dem Einsatz des Buches gemacht?
  4. Ist die Sprache für deine Zielgruppe angemessen und verständlich? Musst du beim Vorlesen darauf achten, Fremdwörter wegzulassen oder zu ersetzen? Ist es eventuell möglich anhand der Bilder die Geschichte frei zu erzählen?

 

Wie viele Kinder sollten an der Bilderbuchbetrachtung teilnehmen?

 

Grundsätzlich eignet sich eine Bilderbuchbetrachtung am besten für ein Kleingruppenangebot. Der Grund liegt auf der Hand: Je mehr Kinder an dem Angebot teilnehmen, desto schwieriger wird es sein den Lautstärkepegel gering und die Konzentrationsbereitschaft der Kinder aufrecht zu erhalten. Wenn du das Bilderbuch der ganzen Gruppe vorlesen möchtest solltest du ausreichend Zeit einplanen, um allen Kindern die Bilder zu zeigen. Zudem ist es sinnvoll, wenn dich mindestens eine, besser zwei Kollegen unterstützen und dafür sorgen, dass die Kinder sich nicht zu sehr gegenseitig ablenken.

Die ideale Gruppe für eine Bilderbuchbetrachtung besteht aus drei bis acht Kindern.

 

Wie wähle ich die richtigen Kinder für mein Angebot aus?

 

Wenn die Bilderbuchbetrachtung schriftlich geplant werden muss, so solltest du begründen können welche Kinder an deinem Angebot teilnehmen sollen. Das ist allerdings nicht schwierig, denn die Förderung sprachlicher Kompetenzen ist ja in der Regel das Hauptziel einer Bilderbuchbetrachtung. Daher liegt es nahe für das Angebot Kinder auszuwählen, die in diesem Bereich noch Probleme haben. Bedenke aber: Deine Kindergruppe sollte sich im Hinblick auf ihre Fähigkeiten und Interessen gegenseitig ergänzen, wenn dein Angebot erfolgreich verlaufen soll und du deine Ziele erreichen willst. Es ist daher keine gute Idee,  nur schüchterne Kinder auszuwählen oder solche, die kaum ein Wort Deutsch verstehen. Wenn du beispielsweise ein Buch über Dinosaurier vorliest und weißt, dass der kleine Max gerade für dieses Thema brennt, so kann er ruhig am Angebot teilnehmen, auch wenn er sprachlich fit ist und nicht zum Sprechen motiviert werden muss. Im Idealfall steckt er die anderen Kinder mit seiner Begeisterung an und sie profitieren von seinem Wissen.

 

Wie lange sollte eine Bilderbuchbetrachtung dauern?

 

Je jünger die von dir für die Bilderbuchbetrachtung ausgewählten Kinder sind, desto kürzer sollte das Angebot ausfallen. Kleinkinder unter drei Jahren können sich in der Regel nicht länger als 10 Minuten konzentrieren und auch das Zuhören fällt ihnen möglicherweise schwer.
Vorschulkinder haben eine längere Aufmerksamkeitsspanne, aber trotzdem solltest du darauf achten, dass die Geschichte nicht zu lange dauert – schließlich möchtest du mit Kindern auch noch über den Inhalt sprechen und das Angebot sinnvoll ausklingen lassen. Teste daher im Idealfall vorher, wie lange du brauchst um das Buch bis zum Ende vorzulesen. Eventuell gibt es Passagen, die zu zusammenfassen oder weglassen kannst.
Grundsätzlich gilt: Wenn du während des Vorlesens merkst, dass die Aufmerksamkeit der Kinder nachlässt, versuche sie mehr miteinzubeziehen, indem du zum Beispiel Fragen zum Inhalt stellst. Kinder, die sich aktiv an etwas beteiligen, sind motivierter als solche, die sich nur „berieseln“ lassen. Letzteres kann nämlich auch eine einschläfernde Wirkung haben.

 

Was muss bei der Durchführung der beachtet werden?

 

Damit eine Bilderbuchbetrachtung pädagogischen Ansprüchen gerecht werden kann, braucht es ein wenig Vorbereitung und Übung.
Im Idealfall findet das Angebot nicht mitten im Gruppenraum statt, sondern in einer Leseecke oder einer „Bibliothek“. Das motiviert die Kinder und sie wissen sofort, dass eine spannende Aktion ansteht. Überlege, ob die Kinder auf dem Boden oder auf Stühlen sitzen sollen. Erstere Variante ist gemütlicher, letztere hat den Vorteil, dass die Kinder sich gegenseitig nicht so schnell ablenken können.
Achte darauf, dass der Raum gut gelüftet und der Lichteinfall so optimal wie möglich ist. Wie  jedes pädagogische Angebot sollte auch eine Bilderbuchbetrachtung aus einer Hinführungsphase, einer Durchführungsphase und einem Abschluss bestehen. Hier kannst du auf Lieder, Spiele oder kreative Impulse zurückgreifen.
Wichtig ist, die Kinder beim Lesen miteinzubeziehen – so verhinderst du auch, dass schnell Langeweile aufkommt und die Konzentration nachlässt. Beim sogenannten „Dialogischen Lesen“ werden offene Fragen und Impulse eingesetzt, um mit den Kindern zu interagieren und sie dazu zu motivieren, sich am Gespräch zu beteiligen.

 

Wie lese ich ein Buch ansprechend vor?

 

Ein Buch spannend vorzulesen kann für Berufsanfänger eine Herausforderung sein, weil man keine Angst haben darf sich ein wenig „zum Clown“ zu machen. Wenn du diesbezüglich Hemmungen hast kannst du das laute Lesen  zunächst ohne Publikum üben. Und bevor du eine Bilderbuchbetrachtung als Teil eines Praxisbesuches zeigen musst, solltest du diese ohnehin schon mehrfach durchgeführt und mit deiner Praxisanleitung reflektiert haben. Du kannst auch deine erfahrenen Kolleginnen und Kollegen beim Vorlesen beobachten und dir von ihnen Tipps geben lassen.

Achte beim Lesen in jedem Fall auf

 

- eine gezielte Betonung,

- Pausen zwischen einzelnen Abschnitten,

- ein angemessenes Lesetempo,

- die Variation deiner Stimmfarbe und Lautstärke (um kenntlich zu machen, wenn in der Geschichte unterschiedliche Personen sprechen,

- auf Mimik und Gestik,

- die Verknüpfung von Text und Bild usw.

 

Wichtig ist, dass du während des Vorlesens auf die Reaktion der Kinder eingehst. Wenn du das Gefühl hast, dass die Konzentration nachlässt, solltest du spontan reagieren und zum Beispiel eine Frage stellen oder ein Bild beschreiben lassen. Spontane Äußerungen der Kinder gilt es aufzugreifen – daran lässt sich gut anknüpfen wenn es darum geht die Aussage einer Geschichte auf die Lebenswirklichkeit deiner Zielgruppe zu übertragen.

 

Welche Methoden eignen sich?

 

Neben der dialogischen Betrachtung eines Bilderbuches hat sich in den letzten Jahren auch immer mehr die Nutzung eines Erzählteheaters, des sogenannten „Kamishibais“ durchgesetzt.
Diese Methode kommt ohne das Vorlesen eines Textes aus. Große Bilder in einem Holzrahmen ersetzen das Buch. Der Vorteil dabei: Du hast die Hände frei, kannst die Kinder beim Erzählen anschauen und ihre Reaktionen besser interpretieren. Zudem hat das Kamishibai für Kinder einen ganz besonderen Zauber, weil sie dieses im Gegensatz zu Büchern nicht von zu Hause kennen. Daher sind sie meist noch aufmerksamer bei der Sache.

 

Tipp:

Weitere Anregungen zum Thema findest du in diesem Fachartikel zum Thema „Methodik der Bilderbuchbetrachtung“. Der Autor ist selbst in der Erzieherausbildung an einem Berufskolleg in Bochum tätig.

 

Bild: shutterstock_393730435

 

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